: Knastmuseum oder Aktenlager
■ Aus dem Einschüchterungs-Bau an der Ostertorstraße hätte ein überregional bedeutendes Knastmuseum werden können / Justizbehörde akzeptiert Prioritäten: Polizei braucht Platz, und Akten der Staatsanwaltschaft sollen billig lagern
Ein schaurigschöner Knast zum Angucken und Anfassen mitten in Bremen, eine Touristenattraktion, ein Abbild grausiger Vergangenheit und Gegenwart: Aus
der früheren Untersuchungs haftanstalt zwischen Ostertorstraße und Buchtstraße soll ein „Strafvollzugsmuseum“ werden - wenn es nach den Plänen des
'Vereins Deutsches Strafvollzugsmuseum' ginge.
Das Gemäuer hinter dem Landgericht, um 1900 im Stil einer mittelalterlichen Festung als Einschüchterungs-Architektur gebaut, ist selbst schon Museum. Der Gefängnispastor Horst Lütten vom Verein sieht sie schon vor sich: Schulklassen, BesucherInnen, Jura-StudentInnen beginnen ihren Rundgang im malerischen Innenhof unter den 'Seufzerbrücken‘. Innen hört die Romantik dann schlagartig auf, reiht sich über mehrere Stockwerke Zelle an Zelle. Hochsitzende Gitterfenster machen jeden Blick nach außen unmöglich. Die „Beruhigungszelle“ im Keller gar ist stockdunkel.
Die moderne Variante der zermürbenden Unterbringung von Untersuchungsgefangenen ist die „Terroristenzelle“ mit einer massiven, schalldichten Stahltür, die an einen Banktresor erinnert. Wände und Fußboden sind völlig isoliert. Ein Weitwinkelspion kontrolliert die ganze Zelle. Schaurige Szenen spielten sich früher in der Knast-Kapelle ab, an die sich ältere Aufseher heute noch erinnern: Die Gefangenen wurden beim Gottesdienst in hölzerne Kästen gesperrt und konnten durch eine Klappe nur eins sehen: den Pastor.
Die mittelalterliche Kerkerzelle mit Ketten und faulendem Strohlager soll den Augen künftiger BesucherInnen ebenso geboten werden wie die ganze Palette historischen und aktuellen Knast-Zubehörs - Kassiber, Eßge
schirre, Selbstmord-und Ausbruchswerkzeuge, Knebelketten und Knastkleidung.
„Wir wollen kein Gruselkabinett vorführen“, stellte Pastor Lütten gestern gegenüber der taz klar, „wir wollen die Öffentlichkeit auch mit aktuellen Problemen des Strafvollzugs konfrontieren.“ Regelmäßige Vorträge und Podiumsdiskussionen in der Knastkapelle sind geplant, sommerliche Feste im Innenhof, ein Museumscafe.
„Unheimlich prima“ findet Manfred Mayer-Schwinkendorf, Senatsdirektor im Justizressort, diesen Plan. Auch Senator Volker Kröning sei „begeistert“ gewesen. Schließlich sollte das Ganze über Bremens Grenzen hinaus als „Deutsches Strafvollzugsmuseum“ Geschichte machen, Archiv, Bibliothek und gar Zimmer für ForscherInnen und auswärtige Gäste bieten.
Aber nach dem ersten Strohfeuer scheint jetzt Schluß zu sein mit den Plänen, einen Teil Knastwirklichkeit am Originalschauplatz auszustellen, der seit zwei Jahren leersteht. Denn das historische Gebäude soll ein Aktenlager werden für die Staatsanwaltschaft, die sich schon darauf freut, ihre Pappmappen gleich Tür an Tür zur Hand zu haben. „Die Investitionen wären minimal“, kam Mayer-Schwinkendorf gegenüber der taz zum Kern der Sache, „man könnte in den alten Zellen an drei Wänden Kellerregale anbringen, das bietet sich enorm gut an.“ Für ihr ganzes
Sortiment an gerichtlichen „Beweistücken“ - allerlei Stoffproben mit Bluspritzern, Beile, Spritzen, Taschentücher - sucht die Staatsanwaltschaft Platz, und „ganz unabdingbar“, so der Senatsdirektor, soll dieser Platz in der ehemaligen U-Haftanstalt sein.
Falls außerdem die Polizei mit ihrem jetzigen Untersuchungsgefängnis aus der Ostertorwache aus-und in den Bau an der Buchtstrraße einzöge, wäre ein Drittel des Platzes bereits weg. „Das ist eine schlichte Kosten
rechnung“, so Mayer-Schwin kendorf, „was kostet ein Umzug, und was spart man? “
Gegen die pragmatischen Interessen der Staatsanwaltschaft will die Justiz-Spitze das Projekt jedenfalls nicht durchsetzen: „Das sind doch unsere eigenen Abteilungen!“ Was bleibt, ist, die „tragische, ja damatische Lage“ des Vereins zu konstatieren, dessen „hervorragendes Konzept“, so der Senatsdirektor, „scheibchenweise geopfert wird.“ - Der Senat entscheidet Mitte November. Susanne Paa
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