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Knast für Drogen-Oma

■ 68jährige Rentnerin wegen Besitzes von einem Kilo Kokain zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt / Mit einem Koffer voll mit Heroin erwischt

Wenn einem alten Mütterchen im Kriminalgericht Moabit schon mal der Prozeß gemacht wird, dann in der Regel nur deshalb, weil es den Verlockungen des Kaufhauses nicht wiederstehen konnte und sich beim Klauen erwischen ließ. Nicht so die 68jährige Ilse S., die gestern von der 8. Strafkammer des Landgerichts zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt wurde. Das Gericht war davon überzeugt, daß die alte Dame in ihrer Wohnung ein Kilo Kokain im Wert von 300.000 Mark gelagert und zwei Päckchen Heroin - jeweils 15 Gramm - an einem Mittelsmann übergeben hatte, der die Drogen in den Tegeler Knast geschmuggelt haben soll. Von einem weiteren Anklagepunkt, auch noch 1,4 Kilo Heroin und 121 Gramm Haschisch besessen zu haben, wurde Ilse S. jedoch freigesprochen.

Die Rentnerin war im Februar vergangenen Jahres zusammen mit zwei Türken in ihrer Moabiter Wohnung festgenommen worden. Die Fahnder hatten die Räumlichkeiten der Rentnerin ohne Vorwarnung gestürmt, weil sie hofften, drinnen ein paar Groß-Dealer auf frischer Tat dingfest machen zu können. Weit gefehlt: Sie trafen auf eine alte Dame, die mit zwei Türken einen gemütlichen Kaffeeplausch hielt. Die sperrangelweit offenen Fenster ließen die Fahnder dann aber zum zweiten Mal stutzen. Bei einem Blick ins Freie stellte sich heraus, daß der Sack Kokain im Hinterhof und der Koffer voll mit Heroin auf dem Balkon einen Stock tiefer gelandet war. Daß in der Wohnung von Ilse S. dann noch 121 Gramm Haschisch gefunden wurden, war danach nicht mehr der Rede wert.

Die 68jährige Frau gab in dem Prozeß nur zu, von einem „Unbekannten“ dreimal ein Kuvert beziehungsweise Tütchen bekommen und dieses an einen Rechtsanwalt übergeben zu haben. Sie habe sich dazu breitschlagen lassen, weil sie ihr im Tegeler Knast inhaftierter Sohn darum gebeten habe. Daß in dem Koffer, der einem ihr flüchtig bekannten Türken gehörte, Heroin war, habe sie nicht gewußt. Den Sack, der sich später als Kokain entpuppt habe, habe sie für einen Freund ihres Sohnes aufbewahrt. Später habe sie zusammen mit einem anderen Türken festgestellt, daß er Kokain enthalte: „Ich wollte ihn zur Polizei bringen“, so Ilse S., „da kam die Polizei selbst“.

Das Gericht glaubte der alten Dame. Zu ihren Gunsten wurde bewertet, daß sie nach dem Tod ihres Mannes andere Bezugspersonen suchte und sich leicht ausnutzen ließ. „Naheliegend“ sei auch, daß sie sich ihrem Sohn gegenüber von „mütterlichen Gefühlen“ habe leiten lassen, obwohl sie diesen eigentlich für „mißraten“ halte. Ilse S., die im vergangenen Jahr aus gesundheitlichen Gründen Haftverschonung bekam, muß erst in den Knast, wenn das Urteil rechtskräftig wird.

plu

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