Kloster im Kosovo: Mönche gehen sich an die Kutte
Im serbisch-orthodoxen Kloster Gracanica kommt es zu Prügeleien - Polizei und KFOR greifen ein. Grund ist die Absetzung des umstrittenen Erzbischofs Artemije.
BELGRAD taz | Zwischen Mönchen des serbisch-orthodoxen Klosters Gracanica in der Nähe von Prishtina, der Hauptstadt des Kosovo, ist es am Sonntag zu handfesten Auseinandersetzungen gekommen. Die eine Gruppe wollte in das Kloster hinein, die andere wollte sie nicht hineinlassen. Die einen unterstützten den neuen, die anderen den alten Chef der kosovarischen Diözese.
"Verräter", schrien sowohl die einen als auch die anderen. Man fluchte, schubste sich und ging schließlich mit Fäusten aufeinander los. Sondereinheiten der Kosovo-Polizei und Einheiten der internationalen Friedenstruppe KFOR samt Kampfwagen mussten die tobenden Klosterbrüder trennen, damit sie sich nicht die Köpfe einschlugen.
Den Aufruhr soll laut serbischen Medien der am Samstag von der Heiligen Synode (Kirchenregierung) in Belgrad abgesetzte Erzbischof des Kosovo, Artemije, 75, organisiert haben. Er hatte sich aus Protest in eine Zelle in Gracanica eingeschlossen und um Hilfe gerufen. Treue Anhänger folgten dem Ruf und wollten ihn "befreien", als der neu ernannte Diözesenchef, Erzbischof Atanasije, am Sonntag eine Liturgie halten wollte. Atanasije beschuldigte darauf hin Artemije, parakirchliche Gruppen organisieren zu wollen.
Die Entmachtung von Artemije war zwar ein Präzedenzfall in der serbisch-orthodoxen Kirche, doch keine Überraschung. Man wusste schon lange von den zwielichtigen Geschäften des ranghohen Gottesdieners - in und auch außerhalb seiner Diözese. Medien berichteten über Strohfirmen, die er mit Bauarbeiten im Kosovo beauftragte, über Häuser und Wohnungen, die er in Serbien besaß.
Seine Diözese soll 2003 die Baufirma Rade Neimar gegründet haben. Artemije soll den damaligen serbischen Premier, einzelne Minister und öffentliche Betriebe dazu aufgefordert haben, mit dieser Firma Millionengeschäfte abzuschließen. Über das Geld der Firma verfügte der Bischof höchstpersönlich.
So manche geistige Würdenträger ließ die heilige Synode der serbisch-orthodoxen Kirche in den vergangenen Jahren mit so mancher Schweinerei davonkommen: vermeintliche Kinderschänder, geldgierige Popen, kriegslüsterne Bischöfe, Klosterbrüder, die Drogensüchtige mit Prügel kurieren wollten, Kuttenträgerer, die Schwule auf der Straße zusammenschlugen.
Vor allem offener Prunk und Luxus sind der orthodoxen Geistlichkeit nicht fremd. Der 2009 verstorbene, bescheiden lebende Patriarch Pavle soll, als er bei einem Kirchentreffen viele Luxusschlitten sah, gesagt haben: "Was würden die erst fahren, wenn sie nicht das Mönchsgelübde abgelegt hätten."
Wäre seine Unternehmerlust seine einzige Sünde, hätte die Kirchenführung Artemije das wohl verziehen und seine Geldaffären unter den Teppich gekehrt, so wie sie bisher zahlreiche Affären ihrer geistigen Hirten aus der Welt geschafft hatte. Doch Artemije war bockig und wollte sich nicht unterordnen.
Wie die Regierung Serbiens will auch die serbisch-orthodoxe Kirche die Unabhängigkeit des Kosovo "nie und nimmer" anerkennen. Doch als die Synode Artemije befahl, mit der EU-Mission Eulex beim Bau von Häusern für serbische Flüchtlinge zusammenzuarbeiten, lehnte er es ab, mit der "Okkupationsmacht" auch nur zu reden.
Als die Synode anordnete, den US-Vizepräsidenten Joe Biden im Kosovo zu empfangen, lehnte Artemje das ab. Vor zwei Jahren forderte er Belgrad auf, Truppen in das Kosovo zu entsenden, und rief Russland dazu auf, Militärbasen in Serbien an der Grenze zum Kosovo zu errichten. Aber auch vom neuen Interimschef Atanasije sind keine milderen Töne zu erwarten. "Nein, danke" sagte er in seinen Predigten zu Europa, falls der Preis dafür die "Entfremdung" des serbischen Volkes sein sollte. Denn die Serben sollten ihren Nationalismus preisen, weil nicht nur Kirchen und Klöster, sondern auch serbische Ställe älter seien als der US-Kongress. ANDREJ IVANJI
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