Klimawandel in Afrika: Ein Ausweg aus dem Holzweg
Ruanda setzt auf Wiederaufforstung, Uganda auf sparsame Holzkohleöfen. Wie Afrikas Ärmste den Waldschutz neu entdecken, um das Weltklima zu retten.
RUANDA/UGANDA/KONGO taz | Mit einem mannsgroßen Sägeblatt halbiert der Holzfäller einen Baumstamm. Zentimeter für Zentimeter dringen die Zacken ins Holz ein. Vorarbeiter Silvestre Bariyanga steht daneben und gibt Anweisungen: Die Maße der Holzscheite müssen exakt stimmen. "Wir beliefern damit Möbelmacher", erklärt Bariyanga und zeigt auf den Stapel neben ihm. Was einst ein Wald war, wird hier zu Bauholz zusammengehackt. Doch immerhin, Bariyanga zeigt ein Dokument von der lokalen Umweltbehörde: "Wir brauchen für jeden Baum eine Lizenz", erklärt er.
Mit einst 28.000 Hektar war der Gishwati-Wald im Westen Ruandas nahe des Kivusees in den 70er Jahren noch der größte Regenwald Ruandas. Dann finanzierte die Weltbank dort eine Ananasplantage. Später siedelten in der Gegend hunderttausende Flüchtlinge. Stückchenweise verfeuerten sie den Regenwald zu Holzkohle. Auf den nackten Hängen pflanzten sie Eukalyptus. Letztlich blieben vom Urwald lediglich 600 Hektar, rund 2 Prozent der ursprünglichen Fläche. Wo einst undurchdringlicher Urwald kaum einen Lichtstrahl durchließ, grasen heute Kühe auf nackten Wiesen wie auf Schweizer Almen. Eine Teeplantage zieht sich durch das Tal.
Faustin Gashakamba soll retten, was noch zu retten ist. Bedächtig wandert er durch die letzten Überreste des Waldes. Grillen zirpen, Vögel zwitschern. Umweltschützer Gashakamba kennt jeden Baum, jeden Farn. Der Ruander arbeitet für die US-Organisation Great Ape Trust, die seit 2008 den Wald auf 800 Hektar wieder aufforstet. Zum Teil werden einheimische Setzlinge angepflanzt. Zum Teil "lassen wir geschützt einfach den Wald nachwachsen", sagt Gashakamba.
CO2-Kredite bringen Geld
200.000 Tonnen Kohlendioxid kann der Gishwati-Wald pro Jahr aufnehmen - damit lässt sich per Emissionshandel Geld machen. Ruanda kann diese C02-Menge anderen Ländern, die selbst viel C02 ausstoßen, in Form von Karbonkrediten verkaufen. Die Karbonkredite kosten 5 Dollar pro Tonne Kohlendioxid, so die UN-Richtlinien. Das macht für Gishwati eine Million Dollar pro Jahr. Damit könnte sich Gashsakambas Projekt bald selbst finanzieren: Die US-Geldgeber haben wegen der Finanzkrise die Gelder für 2012 gestrichen.
Der C02-Handel funktioniere nur unter einer Bedingung, erklärt in der Hauptstadt Kigali die Direktorin der ruandischen Umweltbehörde Rema, Rose Mukankomeje: dass das Kioto-Protokoll, das 2012 auslaufen soll, erneuert wird. Die promovierte Biologin sitzt in ihrem funkelnagelneuen Büro im Regierungsviertel der Hauptstadt Kigali.
Grüne Aufkleber "Haltet Ruanda sauber" pflastern ihren Wandschrank, in welchem die neuesten Solarlampenmodelle stehen. Auf dem Schreibtisch stapeln sich druckfrische Klimaberichte. "Seit Jahren jammern wir afrikanischen Länder, wie sehr wir vom Klimawandel betroffen sind, aber wir haben keine Zahlen", sagt sie. Die will sie in Durban vorlegen.
Sie schlägt den Bericht auf: Allein die Fluten 2007 zerstörten in zwei Bezirken Straßen und Brücken im Wert von bis zu 22 Millionen Dollar. Ruandas Meteorologen erwarten einen Temperaturanstieg bis zum Jahr 2050 um 2,5 Grad. Dies steigere das Malariarisiko für die Landbevölkerung um 150 Prozent, weil sich Moskitos dann auf die bisher kühlen Hügel ausbreiten.
"Wir können nicht warten, bis die Industriestaaten uns finanziell helfen, das dauert zu lange. Wir müssen selbst aktiv werden", erklärt Mukankomeje. Statt aus Dieselgeneratoren soll Strom aus dem Methangas im Kivusee gewonnen werden, der Einsatz von Dünger soll sinken, fußgängerfreundliche Städte und öffentliche Verkehrsmittel sollen Abgase verringern. Für Afrika ist das neu. Ruanda gilt in Afrika als Vorzeigeland der Umweltpolitik.
Afrika hat keine Zeit mehr
Als sie auf den Klimagipfel in Durban zu sprechen kommt, wird Mukankomeje wütend. Sie werde lediglich mit vier Kollegen für drei Tage hinreisen, denn das sei alles "reine Zeit- und Geldverschwendung", sagt sie. Die Industriestaaaten hätten einen Klimafonds versprochen, doch das Geld reiche nicht und die Bewerbung sei bürokratisch und kompliziert. "Dafür haben wir einfach keine Kapazitäten", sagt sie.
Ruandas Hoffnung, so Mukankomeje, konzentriere sich auf den C02-Handel. Fünf Projekte hat Rema bereits in New York registriert, der Gishwati-Wald sei bald das sechste. Dieses will sie in Durban mit einem Film vorstellen. "Ich habe Angst, dass die Industriestaaaten das Kioto-Protokoll nicht verlängern", gibt sie zu.
Ähnlich geht es ihrem Amtskollegen in Uganda. Paul Isabyire ist derzeit einer der am meisten beschäftigten Männer in der Hauptstadt Kampala. Der Chef der Klimawandel-Abteilung der ugandischen Regierung sortiert frühmorgens hastig seine Unterlagen. Um acht Uhr hat er sein erstes Meeting. Klimawandel hat in Uganda eine hohe Priorität, das erkennt man bereits an Isabyires Ausstattung.
Vor dem neuen Gebäude auf dem Gelände der Waldbehörde stehen neue Fahrzeuge, gesponsort von der dänischen Botschaft. Auf den Schreibtischen in modernen Büros reihen sich Laptops. Isabyire rüstet sein Team für Durban. Mit über fünfzig Kollegen sowie der Umweltministerin persönlich will er auf dem Gipfel aufwarten. "Wir müssen in so vielen Verhandlungen wie möglich gleichzeitig teilnehmen, um unsere Interessen durchsetzen zu können", sagt er.
Ugandas Durban-Strategie wurde auf einem nationalen Klimaforum ausbaldowert. "Die großen Brüder in Europa und Amerika haben den Großteil zum Klimawandel beigetragen, deswegen müssen sie auch den Großteil der Verantwortung tragen", sagt Isabyire.
Teure Technologien
Verantwortung, das bedeudet: Geld, am besten vom Klimafonds, der auf dem Gipfel in Cancún 2010 gegründet wurde. Isabyire sieht das ähnlich kritisch wie seine Amtskollegin in Ruanda: "Es ist langwierig und schwer, an das Geld heranzukommen." Dabei bleibe Afrika nicht viel Zeit. "Wir brauchen schnell moderne Technologien, um den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken und unsere eigenen Emissionen zu reduzieren. Doch diese Technologien sind teuer und oft mit Patenten versehen."
Uganda setzt daher erst mal auf den Kohlendioxidhandel. Anders als in Ruanda bewirbt sich dafür in Uganda auch der Privatsektor. Bill Farmer sitzt auf einem Sofa im Garten seines Hauses, gepflegt und voller bunter Blumen. Der alte Brite zeigt verschiedene Modelle Holzkohleöfen, die weniger Holzkohle benötigen und damit Ugandas Wälder schonen - ein Projekt, das das ugandische "Carbon Büro" bereits für ganz Ostafrika in New York registriert hat. Es ist das erste regional gültige Zertifikat weltweit.
Der Brite sieht den C02-Handel als eine Art "fair trade". Er zückt einen Zettel: ein selbst entworfener Karbon-Garantieschein für umweltfreundliche Holzkohleöfen. "Woher soll sonst die afrikanische Frau wissen, dass sie mit diesem Ofen Anrechte auf Ausschüttung aus dem C02-Handel hat?", lächelt er und rechnet vor: Ein Ofen kostet 18.000 Schilling. Der Hersteller kann durch C02-Kredite jedes Jahr 6.000 Schilling pro Ofen einnehmen. Also erhält die Käuferin ihn schon mal für lediglich 12.000 Schilling. Dafür muss sie sich mit Name und Handynummer registrieren: Sobald der Hersteller über den Emissionshandel die Kosten eingespielt hat, steht auch der Frau ein Anteil von der Ausschüttungen zu.
Bis dahin sei es noch ein weiter Weg, "aber es ist machbar", nickt der ehemalige Berater von Ugandas Waldbehörde. Nur so, sagt er, lässt sich die Abholzung für Brennholz verringern und über Emissionshandel letztlich sogar die Wiederaufforstung anstoßen. Doch dafür müssten auch lokale Bauern Zugang zum C02-Handel erhalten. Das ist seine nächste Projektidee.
Wie viel Wald? Das weiß keiner.
Mehr Rechte für lokale Bauern - davon kann man im im Nachbarland Kongo nur träumen. Der Regenwald im Kongobecken ist der zweitgrößte der Welt, ein Großteil davon befindet sich in der Demokratischen Republik Kongo. Aber die Arbeit zu einem effektiven Waldschutz steht dort erst ganz am Anfang.
Hinter hohen Mauern in einem schmuddeligen Viertel von Kongos Hauptstadt Kinshasa sitzen Umweltaktivisten um einen großen Konferenztisch herum. Das Netzwerk RRN (Netzwerk Natürlicher Ressourcen) ist ein Zusammenschluss lokaler NGOs, der das marode und unterfinanzierte kongolesische Umweltministerium unterstützt. Erst 2010 habe Kongos Regierung einen Plan gegen Abholzung erarbeitet, sagt Rubin Rashidi, bei RRN verantwortlich für Klimawandel. Die Weltbank habe zur Umsetzung 9 Millionen Dollar zugesagt. Aber erst einmal stellt sich die Frage: Wie viel Wald gibt es eigentlich im Kongo? Das kann niemand genau beantworten.
"Feststeht", so Barthelemy Mahambi, der für die Karten zuständig ist, "auf den Satellitenbildern sehen wir bereits große gerodete Flächen." Er zeigt auf seinen Bildschirm: "Im Süd- und Ostkongo graben sich Minenarbeiter durch den Waldboden, auf der Suche nach Kupfer, Gold und Coltan. Im Westen hat Ölförderung den Wald zerstört. Im Herzen des Urwalds haben Holzfirmen Konzessionen von der korrupten Waldbehörde erhalten, ohne dass jemand dort die Wiederaufforstung kontrolliert."
Auch hier liegt die Lösung in der Idee des weltweiten Emissionshandels, stimmt Rashidi zu. "Nur, wie kriegen wir das in unseren schwachen Staatsinstitutionen umgesetzt?", zuckt er mit den Schultern.
2009 hat die Beraterfirma McKinsey in fünf Wochen einen Bericht zusammengeschustert, welcher jetzt die Grundlage für Kongos Emissionshandelsstrategie darstellt. Umweltaktivisten wie RNN halten nicht viel von dieser Studie, denn sie geht davon aus, dass der Staat in der Lage ist, verantwortungsvoll und nachhaltig mit seinen Ressourcen umzugehen. Daran glauben die Umweltaktivisten nicht.
Das Hauptproblem, so Rashidi: Der Staat hält seit der Kolonialzeit die Rechte an allen Ressourcen: Mineralien, Öl, Wald. Und Rashidi kennt der Politiker in seinem Land: "Mit der schnellen Ausbeutung lässt sich schnelles Geld machen." Deswegen setzt sich RRN für eine Reform dieser Gesetze ein: "Wir müssen den lokalen Gemeinden die Rechte an ihren Bodenschätzen zurückgegeben und vor allem den Wald", fordert Rashidi. "Den Völkern im Dschungel ist der Wald heilig. Dem Staat nicht."
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Dieser Artikel wurde möglich durch finanzielle Unterstützung des Recherchefonds Ausland e.V.
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