: „Klimaschutz braucht Gerechtigkeit“
Die in Nairobi beschlossenen Fonds sind ein wichtiger Schritt. Warum aber in Afrika eingespartes Kohlendioxid viel weniger wert sein soll als in Europa, das kann Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai nicht verstehen
taz: Frau Maathai, wichtigster Verhandlungspunkt für Afrika und die G 77 war auf der diesjährigen Klimakonferenz der Fonds zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Wangari Maathai: Natürlich sind Fonds notwendig, damit Afrika die Anpassung an den Klimawandel bewältigen kann. Natürlich brauchen wir Fonds, um alternative Energien hierher zu holen. Und natürlich brauchen wir mehr finanzielle Unterstützung für diese Fonds von den Industriestaaten. Was ich aber auch ganz deutlich sage: Afrika muss das tun, was es kann! Es gibt viele Dinge, die möglich sind, bevor uns das Geld dieser Fonds erreicht.
Zum Beispiel?
Wir müssen nicht nur engagiert beim Fragen nach Hilfe sein, sondern auch selbst das Richtige tun. Nehmen Sie das Gastgeberland Kenia: Wir sollten in der vordersten Front stehen, wenn es um den Schutz der bestehenden Wälder geht. Aber was machen wir: Wir betrachten die Palmen- und Eukalyptushaine ausschließlich unter wirtschaftlichen Aspekten. Dabei weiß jeder, wie wichtig der Faktor Wald für den Klimaschutz ist.
Deshalb haben Sie in Nairobi zum Pflanzen von einer Milliarde Bäume aufgerufen?
Wir müssen bei uns selbst anfangen. Jeder kann ein Loch graben und einen Baum pflanzen, dafür braucht man nicht mal ein Diplom. Allerdings ist es damit nicht getan: Einen Baum zu pflanzen ist eine Sache, sein Überleben sicherzustellen eine andere. Aber jeder Mensch auf der Welt kann damit zeigen, dass sich Klimaschutz nicht nur auf den Gängen vor den Verhandlungsräumen abspielt.
Auf einer Website der Vereinten Nationen soll unter www.unep.org/billiontreecampaign jeder Pflanzer seinen Baum registrieren. Werden Sie noch leben, wenn der milliardste Eintrag erfolgt?
Wir sind die Generation, die es noch schaffen kann, den Klimawandel aufzuhalten. Das Problem ist, dass sich viele Menschen an ihren derzeitigen Lebensstil gewöhnt haben. Wenn die Menschen in Afrika „fahren“, fahren sie meistens mit dem Fahrrad. In den reichen Ländern bedeutet „fahren“ natürlich Auto. Oder sogar Flugzeug. Angesichts des Problems der Erderwärmung ist doch klar, dass es so nicht weitergehen kann. „Baum pflanzen“ und „Baum pflegen“ kann helfen, dafür den Blick zu schärfen.
Obwohl Afrika nichts zum Klimaproblem beigetragen hat, spürt es am deutlichsten die Auswirkung. Für die G 77 war der Fonds, den die Konferenz beschlossen hat, auch eine Frage der Gerechtigkeit. Ist die Welt jetzt gerechter?
Wir haben hier ein Memorandum für Partnerschaft mit der Weltbank unterschrieben, das uns in die Lage versetzt, Wälder als Kohlendioxidspeicher zu schützen. Gemäß Vertrag werden wir in Zukunft 4 Dollar pro Tonne Kohlendioxid bekommen. Das ist ein Fixum. In Europa und Nordamerika aber kostet die Tonne Kohlendioxid heute schon 16 Dollar. Und natürlich wird der Preis weiter steigen. Ich frage Sie: Wie kommt das? Wieso soll eine in Afrika eingesparte Tonne Kohlendioxid nur ein Viertel so wertvoll sein wie eine in Europa gesparte Tonne? Das ist eine dieser Ungleichheiten, die es uns so schwer machen, zu glauben, dass es die Industriestaaten gut mit uns meinen.
Was muss passieren, damit Sie glauben können?
In den Fonds, im System des clean development mechanism, sind zu viele Ungerechtigkeiten implementiert, die beseitigt werden müssen. Die gesamte Klimaschutz-Agenda braucht mehr Gerechtigkeit, mehr Verantwortung und speziell mehr Engagement von den Regierungen, die wirklich etwas bewegen können
Welche Botschaft geht von diesem Gipfel in Nairobi aus?
Dass wir mehr Gerechtigkeit brauchen. Und dass wir die Wälder besser schützen müssen.INTERVIEW: NICK REIMER