piwik no script img

Klimagipfel in KopenhagenProteste gegen Demogesetz

Umweltverbände aus ganz Europa verurteilen, dass Dänemark vor dem Klimagipfel in Kopenhagen das Demonstrationsrecht verschärfen will. Kritik kommt auch von den Gewerkschaften.

Das geplante Gesetz könnte sogar friedliche Proteste wie diese Demo erschweren, befürchten Kritiker. Bild: reuters

STOCKHOLM taz | Die dänische Regierung stößt mit ihren geplanten drakonischen Strafen für friedliche Protestaktionen beim Kopenhagener Klimagipfel auf wachsenden Widerstand. Bevor das Gesetz am Mittwoch in erster Lesung eines beabsichtigten Eilverfahrens im Parlament behandelt werden soll, appellieren jetzt Umweltorganisationen aus elf europäischen Ländern in einem offenen Brief an Justizminister Brian Mikkelsen, das Gesetzespaket im Papierkorb verschwinden zu lassen. Die Vorlage sei "ein Schlag ins Gesicht" für alle Menschen, die im Dezember nach Kopenhagen kommen wollten, um sich für die Rettung des globalen Klimas zu engagieren: "Es ist nicht hinnehmbar, dass das Gastland eines historischen Klimagipfels so das Recht auf demokratische Teilnahme beschneidet."

Das von der Regierung selbst als "Lømmelpakke" ("Lümmelpaket") lancierte Gesetzesvorhaben (taz 21. 10. 09) soll unter anderem Sitzblockaden oder Menschenketten, welche die Polizei behindern können, mit 40 Tagen Haft bestrafen. Zudem droht es Geldbußen in Höhe von mehreren hundert Euro für alle an, die sich nach polizeilicher Aufforderung nicht aus einer - auch genehmigten - Demonstration entfernen. Und es erlaubt Präventivhaft von bis zu 12 Stunden bei Verdacht möglicherweise "die Ordnung und Sicherheit gefährdender" Absichten.

"Die dänische Polizei hat bereits genug Macht- und Sanktionsmittel, um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten", sagt Kim Ejlertsen vom dänischen Umweltnetzwerk Noah: "Der Gesetzentwurf stellt alle Aktivisten und klimainteressierten Menschen, die nach Kopenhagen kommen, um ihre demokratischen Rechte zu nutzen, unter einen Generalverdacht." Tord Björk von der schwedischen "Friends of the earth"-Sektion: "Der Gipfel ist keine interne dänische Angelegenheit. Warum sollen Menschen kriminalisiert werden, die sich für ein seriöses Klimaabkommen engagieren?"

Die Umweltorganisationen, die hinter dem jetzigen offenen Brief stehen, fordern deshalb Verbände und Einzelpersonen in ganz Europa auf, direkt beim dänischen Justizminister oder bei Dänemarks Auslandsbotschaften gegen das "Lümmelpaket" zu protestieren.

Kritik an den Gesetzesverschärfungen kommt auch von dänischen Gewerkschaften. Diese befürchten, dass die "physischen Blockaden", die das Gesetz in Zukunft mit Freiheitsstrafe belegen will, auch traditionelle Arbeitskampfmaßnahmen wie das Blockieren eines Werkstors als Protest gegen Entlassungen treffen. "Damit werden auch unsere demokratischen Rechte gebrochen", sagt Ejner Holst vom Gewerkschaftsdachverband LO. Die Bauarbeitergewerkschaft wirft in einer Presseerklärung der Regierung in Kopenhagen vor, "im Schatten des Klimagipfels die Befugnisse von Polizei und Justiz auszuweiten, um sie dann gegen andere als ,Unruhestifter' anwenden zu können". Der Kopenhagener Ortsverband der LO kritisiert: "Es stellt sich faktisch die Frage, ob dieses Gesetz nicht ein Schritt auf dem Weg zu einem Polizeistaat in Dänemark ist."

Vor allem die Gewerkschaftsproteste haben mittlerweile dazu geführt, dass die oppositionellen Sozialdemokraten, die ansonsten den Gesetzesverschärfungen positiv gegenüberstehen, sich gegen die Eile wenden, mit der das "Lømmelpakke" ohne ordentliche Behandlung in den Ausschüssen und ohne ausführliches Anhörungsverfahren das Parlament passieren soll. "Wir können im Moment noch gar nicht beurteilen, ob das Paket nicht die Falschen trifft", gibt Karen Hækkerup, rechtspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten zu.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!