Klimagas: Kein CO2-Speicher in Nordfriesland
Wegen massiven Widerstands stoppt RWE den Bau einer CO2-Pipeline nach Schleswig-Holstein. Die Bundesregierung befürwortet die CCS-Technik weiter. Bürgerinitiativen bleiben in "Lauerstellung".
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"Wunderbar", sagt Werner Asmus, Sprecher der Bürgerinitiative gegen CO2-Speicherung in Schleswig-Holstein, und fügt mit nordfriesischer Gelassenheit hinzu: "Das ist ein Teilerfolg, mehr nicht." Allerdings kein kleiner: Die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG (RWE) legt den Bau eines Braunkohlekraftwerks in Hürth bei Köln zunächst auf Eis - und damit auch die Pipeline, die CO2 aus diesem Werk nach Schleswig-Holstein transportieren sollte.
Der Stromkonzern wolle das "Tempo aus den Planungen nehmen", verkündete der Vorstandsvorsitzende von RWE Power, Johannes Lambertz am Donnerstag. Ein Grund für den Stopp ist der massive Widerstand der BürgerInnen in Schleswig-Holstein: "Hier muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden", sagte Lambertz knapp.
Für Ingrid Nestle, Flensburger Bundestagsabgeordnete der Grünen und Sprecherin für Energiewirtschaft der Fraktion, ist klar: "Die Bürgerproteste haben RWE in die Knie gezwungen." Der taz sagte sie, es sei unwahrscheinlich, dass RWE das Projekt weiterverfolge, vor allem, weil die EU es nicht fördern wird.
August 2008: RWE will ein Braunkohlekraftwerk in Hürth bei Köln bauen, das mit CCS-Technologie ausgestattet wird. Das CO2 soll per Pipeline nach Norddeutschland transportiert werden.
Frühjahr 2009: In Schleswig-Holstein formiert sich Widerstand.
1. April 2009: Das schwarz-rote Bundeskabinett beschließt das CCS-Gesetz.
Juni 2009: Der Bundestag stoppt das CCS-Gesetz, auch wegen der Proteste im Norden.
Herbst 2009: Alle Parteien in Schleswig-Holstein sprechen sich gegen CCS-Versuche im Land aus. Im Koalitionsvertrag vereinbaren CDU und FDP: CCS soll nur möglich sein, wenn ein Land zustimmt.
12. November 2009: RWE kündigt an, den Bau des Kraftwerks vorläufig zu stoppen.
EU-weit sind mehrere Anlagen geplant, bei der die Speicherung von CO2 im Untergrund, die so genannte CCS-Technologie, erprobt werden soll - das Hürther Werk sollte dazu gehören. Aufgrund der Proteste und der zurzeit noch fehlenden gesetzlichen Grundlage in Deutschland verweigerte die EU die Mittel. Laut Nestle ging es um eine Milliarde Euro, die Hälfte der Baukosten. "Das ist ein riesiger Etappensieg", sagt Nestle. "Aber klar ist: Wir müssen wachsam bleiben."
Die CCS-Technologie gilt bei ihren Befürworten als Mittel, Kohlekraftwerke klimaneutral betreiben zu können: Da das CO2 im Untergrund verpresst wird, steigt es nicht in die Atmosphäre. Kritiker fürchten dagegen, die bisher unerprobte Technik könne massive Folgen haben und etwa das Trinkwasser schädigen. Professor Rolf Kreibich, Direktor des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin, sagte bei einer Tagung in Heide, kein seriöser Wissenschaftler könne Prognosen über einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren abgeben.
"In Berlin, besonders bei Schwarz-Gelb, ist die Stimmung weiter pro CCS", sagt Ingrid Nestle. Der Widerstand in Schleswig-Holstein werde "als Problem, das gelöst werden muss" betrachtet. Denn das flache Land im Norden gilt als besonders guter Standort für CCS.
Politisch ist der Standort Schleswig-Holstein jedoch schwer durchzusetzen, da die schwarz-gelbe Landesregierung die Einlagerung ablehnt und vorschlägt, jedes Land solle selbst entscheiden. Andere mögliche Standorte sind Brandenburg und Niedersachsen. Besonders in Brandenburg gibt es zurzeit positive Signale der rot-roten Regierung.
Die Bürgerinitiative sei zwar gegen CCS, egal wo, wolle aber anderen Ländern nichts vorschreiben, sagt Werner Asmus. Zur aktuellen Lage sagt er: "Wir feiern, wenn die Länderklausel durch ist. Bis dahin bleiben wir in Lauerstellung."
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