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Klimaforscher bemängeln "Patentlösung"Geomanipulation soll Weltklima retten

Schwefelpartikel in die Erdatmosphäre pusten, Eisenspäne ins Meer streuen: "Geoingenieure" versprechen bequeme Patentlösungen für die Klimakrise.

Durch Schwefelausstoß erreichen weniger Sonnenstrahlen die Erdoberfläche - diesen Vulkaneffekt wollen Klimaforscher künstlich herstellen. Bild: dpa

Riesige Spiegel zwischen Erde und Sonne oder weite Wüstengebiete, die mit weißer Plastikfolie bedeckt werden, um das Sonnenlicht zu reflektieren. Eisendüngung der Ozeane, um das Wachstum der Algen zu beschleunigen und dadurch deren Fähigkeit zur CO2-Aufnahme zu steigern. Und warum nicht künstlich eine dichtere Wolkendecke schaffen, indem man mit Fontänen einen Schleier aus Meerwasser aus den Ozeanen hochspritzt? "Geo-Engineering" nennen sich solche Konzepte. Teilweise bereits realisierbar, teilweise noch Science-Fiction. Immer mehr KlimaforscherInnen glauben, dass es Zeit ist, solche Methoden ins Auge zu fassen, um die Erde vor der Klimakrise zu retten.

Laut einer Umfrage der britischen Tageszeitung Independent meinen 54 Prozent von 80 befragten WissenschaftlerInnen, dass ein solcher "Plan B" notwendig sei, weil die bisherigen Anstrengungen, den CO2-Ausstoß zu verringern, gescheitert sind. Oder zu spät kommen, um einen Anstieg der globalen Temperaturen noch rechtzeitig stoppen zu können.

"Luftschlösser" sind das für Pål Prestrud, Direktor von Cicero, dem norwegischen Zentrum für Klimaforschung. Er hat nichts für solche Pläne übrig: "Die bauen auf einer merkwürdig mechanischen Sicht der Natur auf. Man stellt sie sich so ungefähr wie einen Motor vor. Schraubt man an der einen Stelle, erwartet man die Wirkung an einer anderen. Aber so einfach ist das nicht. Die Natur ist ein ungeheuer komplexes System. Und wir wissen in Wirklichkeit nicht, was als Ergebnis herauskommt, wenn wir auf diese Weise herumzudoktern beginnen."

Als Beispiel nennt Prestrud den Vorschlag von Paul Crutzen, langjähriger Leiter des Max-Planck-Instituts in Mainz, der 1995 den Chemienobelpreis erhielt. Dieser schlug vor, die Effekte nachzuahmen, die ein Vulkanausbruch hat, bei dem große Mengen Schwefel in die Erdatmosphäre geschleudert werden. Dadurch werde verhindert, dass Sonnenstrahlen die Erdoberfläche erreichen.

Nach dem Ausbruch des Mount Pinatubo 1991 auf den Philippinen führte das beispielsweise dazu, die Erde ein bis zwei Jahre lang um etwa 0,5 Grad abzukühlen. Indem man, so Crutzens Konzept, 1,5 Millionen Tonnen winziger Schwefelpartikel mithilfe von Ballons in die Atmosphäre transportiere und dort in 10 bis 50 km Höhe ausstreue, könne der Klimawandel gestoppt werden.

Selbst wenn diese Berechnungen stimmen und man damit tatsächlich einen Klimaeffekt erzeugen kann, hält Prestrud es für wesentlich sinnvoller und erfolgversprechender, den Ausstoß von Klimagasen zu reduzieren. Er weist auf die Verlockungen der "Geo-Engineering"-Pläne hin, die natürlich attraktiv seien, da sie eine Patentlösung versprächen, die noch dazu mit weiterem relativ unbegrenztem Wirtschaftswachstum vereinbar scheint.

Die meisten BefürworterInnen eines "Plan B" wollen nicht missverstanden werden. Diese Optionen "dürfen nicht die Bemühungen mindern, die Emissionen direkt zu verringern", betont beispielsweise John Shepherd, Professor am National Oceanography Centre der Universität Southampton in Großbritannien. Keineswegs sollten solche Technologien als Ersatz für politische Übereinkommen wie ein Kioto-Folgeabkommen verstanden werden.

Abgesehen von unerwarteten Folgen und Nebenwirkungen der Geomanipulationen verweist David Archer, Geophysiker an der Universität Chicago, auf deren grundsätzlichen Schwachpunkt. Sie dienten im Wesentlichen nur dazu, das Problem auf die lange Bank zu schieben: "Kohlendioxid, das wir einmal in die Atmosphäre freigesetzt haben, wird das Klima auf Jahrtausende beeinflussen."

Plan B würde somit unsere eigene Klimarechnung nur den künftigen Generationen aufdrücken. Würden die es dann nicht schaffen, die Rechnung einzulösen, "müssten sie mit der vollen Wucht einer katastrophalen Klimaänderung in ganz kurzer Zeit klarkommen".

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10 Kommentare

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  • E
    emil

    Also Tausende Tonnen Schwefel in der Atmosphäre verteilen halte ich für Irrsinn, riesige Plastikfolien in Wüsten auslegen schon etwas "realistischer", aber auch noch recht fragwürdig, v.a. im Vergleich zu anderen Konzepten wie riesigen Wüstenbegrünungs- und Aufforstungsprogrammen, Beendigung der Urwälderzerstörung, massiven Ausbau von Erneuerbaren Energien etc.

     

    Mir fallen zu diesen Fragen z.B. folgende 3 lesenswerte, wissenschaftlich kompetente und zugleich leicht verständlich geschriebene Bücher ein:

     

    1. Lester R. Brown 2008: Plan B 3.0: Mobilizing to Save Civilization, Third Edition ,

     

    2. Volker Quaschning 2008: Erneuerbare Energien und Klimaschutz. Hintergründe - Techniken - Anlagenplanung - Wirtschaftlichkeit ,

     

    3. August Raggam und Klaus Faißner 2008: Zukunft ohne Öl: Lösungen für Verkehr, Wärme und Strom .

  • K
    Karl

    @ Hannes

     

    "Chemtrails" sind eine analytisch nicht nachweisbare Legende, genauso präsent wie "Klimaschutzmaßnahmen" wirksam und nachweisbar sind.

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • D
    Dave

    Das mag vielleicht sehr naiv sein, aber ich habe diesen einen Gedanken schon lange: Stattete man große Wüstenabschnitte mit Sonnenkollektoren aus, könnte man doch gleichzeitig Energie gewinnen und erderwärmende Sonneneinstrahlung einfangen, oder nicht? Wäre doch evt. sinnvoller als die Wüsten mit Folie auszulegen.

     

    Ansonsten sind das wohl auch alles nicht mehr als ganz interessante Spinnereien.

     

    lgd

  • H
    hannes

    Google: Chemtrails

  • S
    Shrike

    Naja "bequem" wären diese Mammutprojekte nicht, sie würden enormen Aufwand erfordern und wären riskant.

     

     

    Die Argumentation dahinter ist aber verständlich:

     

    Die Nebenwirkungen dürfen sogar schlimm sein, solange sich deutlich abzeichnet, dass der Klimawandel die noch schlimmere Alternative wäre.

     

    Es bleibt abzuwarten, ob diese Ideen sich als sinnvoll erweisen werden und wahrscheinlich würde ihre Umsetzung simultan zu "Plan A" erfolgen.

     

    Ich glaube übrigens nicht, dass hier eine kleine Zahl von Wissenschaftlern allein über die Zukunft des Planeten bestimmt.

     

    Denn die vorgeschlagenen Maßnahmen würden vermutlich so viel Geld erfordern, dass viele Nationen mitfinanzieren müssten, ohne Absprachen und Debatten würden solche Geldmengen nicht locker gemacht werden.

     

    Und ob so der Planet aus Versehen versaut wird, ist die Frage, da die meisten vorgeschlagenen Projekte lange dauern würden und in ihrer Anwendung auch gut dosierbar wären.

     

    Der menschliche Treibhausgas-Ausstoß hätte auch von Anfang an relativ gut reguliert werden können, wenn man die Problematik damals schon erkannt hätte und sie ernst genug genommen hätte.

     

    Zugegebenermaßen war das Thema damals ja keineswegs so weit erforscht wie heute.

     

    Eine starke Verminderung der Ressourcenverschwendung wird man Angesichts der Knappheit ohnehin anstreben.

     

    Ansonsten könnten sich abkühlende Effekte auch anders ergeben:

     

    - Atomkrieg/nuklearer Winter (sicherlich Menschenwerk)

     

    - fetter Vulkanausbruch oder Asteroideneinschlag

    - ein neues solares Minimum wie im 17. Jahrhundert

  • D
    Daniel

    Irgendwann werden hochbegabte Wissenschaftler den Unterschied der Ergebnisse einer Symptom- und einer Ursachenbekämpfung entdecken.

     

    Bis dahin allerdings, wird es auf der Erde wohl nicht mehr sehr gemütlich sein.

  • G
    geostudent

    Ähnliches wird übrigens schon real praktiziert: Bei dem Versuch CO2 von Braunkohlekraftwerken in ehemalige Erdgaslagerstätten (poriges Gestein) in den Untergrund zu verpressen. Vattenfall und RWE forschen intensiv in Brandenburg an solchen durchaus realistischen Möglichkeiten. Aus meiner Sicht eine Zeitbombe, der gegenüber die atomare Endlagerung deutlich berechenbarer ist - Atommüll zerfällt wenigstens bei eine konstanten Halbwertszeit, CO2 nicht.

    Bei allen Gefahren, die der besagte "Plan B" mit sich bringt, macht das Bedürfnis einiger nach demselben doch auch deutlich, dass Klimaschützer nicht ausschließlich eine Anti-Wachstums-Strategie verfolgen sollten. Eine (basisdemokratisch gesehene) Mehrheit der Bevölkerung hat den starken Wunsch, die momentanen Wohlstandsverhältnisse beizubehalten. Das kann man nicht ignorieren, wenn man ernsthafte Lösungsmöglichkeiten des Klimaproblems finden möchte.

  • C
    CandyBandit

    Angesichts solcher Worte aus den grauen Zellen sogenannter Wissenschaftler (möchte wirklich wissen, wie die das geschafft haben!) scheint der absolute Weltuntergang wohl doch gar nicht so unrealistisch zu sein, wie man angenommen hat.

    Wie kann eine Spezie sich dermaßen berufen fühlen, in wenigen Jahren das zu schaffen, wofür die Natur 5 Milliaraden Jahre gebraucht hat??? Größtenwahn reicht als Beschreibung dafür nicht mehr aus. Diese Leute beatmen sich doch aus ihren eigenen Reagenzgläsern!

    Das schlimme ist, dass wahrscheinlich einige große Unternehmen versuchen daran zu verdienen, und andere wiederum werden das als willkommende Begründung dafür nehmen den CO2-Ausstoß doch nicht zu reduzieren.

     

    Das wirklich unglaubliche Verbrechen an der ganzen Sache ist, dass die 6-7 Milliarden Menschen (und alle anderen Lebensformen) auf dieser Erde keine Möglichkeiten haben, diese katastrophale Entwicklung aufzuhalten oder gar darüber zu bestimmen. Sie wird von einer handvoll Menschen einfach ausgeführt. Damit bestimmt eine jämmerlich kleine Minderheit über die Zukunft eines gesamten Planeten. Und zugleich können diese Menschen endlich ihren Spieltrieb ausleben und ihre gefährlichen 'Was-wäre-wohl-wenn-Versuche' am lebenden Objekt Erde ausprobieren. Doch was geschieht eigentlich, wenn am Ende so etwas herauskommt, wie Contagan? Nur eben nicht mit ein paar Menschen, sondern der gesamten Erde?

     

    Sind unsere Wissenschaftler so weit von jeder Realität entfernt, oder werden auch sie nur noch von Geldscheinen aus der Industrie genährt? Haben sie nichts anderes in ihrer Freizeit zu tun? Dann steckt sie doch auf dem Mars, dort können sie dann ihre Neugier mit netten Experimente befriedigen und den Planeten bewohnbar machen. Vielleicht gelingt es ihnen ja nach 10 Milliaraden Jahren sogar.

  • K
    Karl

    Moderne Wunderdoktoren betreiben Ablaßhandel...um messbare Effekte und Kausalitäten geht es schon lange nicht mehr.

     

    Langfristig kann sowieso nichts die Fortentwicklung des Weltklimas aufhalten. Zur Konservierung müssten sonst auch Kontinentaldrift und Erosion "angehalten" werden.

     

    Glück auf!

    Karl

  • M
    Max

    Hätte man die Solarenergie früh gefördert und würde man ihr heute Priorität zuweisen, dann wären solche Maßnahmen gar nicht nötig. Arme Länder mit viel Sonnenaktivität könnten reicheren Ländern mit weniger Sonneneinstrahlung Energie verkaufen. Mit einer Imperialmacht leider nur ein Traum.

     

    Solar/Elektroautos werden hoffentlich bald die Dreckschleudern ersetzen. Aber woher kommt dann das Geld statt durch die Steurn für fossile Stoffe. Sonnenstrahlsteuer?

     

    Ein altes Spiel also: "Unsere Kinder werden es ausbaden müssen." Und die Lobby um Shell und Esso streichelt den Politikern schön die Knie, damit man auch noch im 500 Jahren Erdöl verhöckern kann.

    "Hier haben sie einen Check, das wäre dann erledigt".