Klima-Bilanz der WM: "Ein Pupser im Wind"
Fahnen am Auto erhöhen den Spritverbrauch - doch lassen sich Fans deshalb umstimmen? Außerdem ist ein deutscher Sieg sowieso besser für das Klima.
BERLIN taz | Von Wien nach Innsbruck sind es ungefähr 400 Kilometer. Immer wieder fuhr Thomas Stix, Techniker beim österreichischen Automobilclub ÖAMTC, diese Strecke zur Europameisterschaft 2008 hin und zurück. An seinem Auto jedes Mal Fahnen in verschiedenen Größen. Das Ergebnis des Versuchs: Zwei größere Fahnen oder eine große Fahne erhöhen seinen Spritverbrauch auf der Strecke um 2 Liter.
"Das sind Mehrkosten von circa 3 Euro", sagt Stix. "Wenn man patriotisch ist, macht einem das sicher nichts aus." Denn alles, was außen am Fahrzeug angebracht werde, störe - nicht im Stadtverkehr, aber sehr wohl bei Überlandfahrten - die "Windschlüpfrigkeit".
Ein halber Liter auf hundert Kilometer - dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) zufolge ist das "schon einiges". Am Auto angebrachte Fahnen schlagen sich in der Klimabilanz genauso nieder wie zwei erwachsene Beifahrer. Dennoch sieht selbst der umweltbewusste VCD darin kein großes Problem, zumal der Autoschmuck sich auf die Zeit der WM begrenzt.
Problematischer sind eher die Autokorsos. Allerdings gebe es keine seriöse Möglichkeit, deren Klimabilanz zu berechnen, sagt Dietmar Reh, Verkehrsexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Seine Schätzung: Wenn ein großer Autokorso mit 10.000 Fahrzeugen 10 Kilometer fährt, kommen ungefähr 30 Tonnen Kohlendioxid zusammen. Für ihn ist das zwar "ein Pupser im Wind", schließlich kommt der Autoverkehr in Deutschland pro Jahr auf satte 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Aber immerhin vergleichbar mit einer halben Stunde Stau, die zusätzlich zum Ferienverkehr anfällt. "Fahrradkorsos sind auf jeden Fall die klimafreundliche Variante", sagt der Umweltschützer.
Korsos und Klimaschutz sind also miteinander vereinbar. In der Gesamtklimabilanz des Großereignisses Weltmeisterschaft machen fahnengeschmückte Autos ohnehin nur eine kleine Nachkommastelle aus.
Dabei ist es klimapolitisch durchaus begrüßenswert, dass Deutschland Weltmeister wird. Schließlich werden überall Siege mit Autokorsos gefeiert. "Besser die relativ saubere Flotte Deutschlands fährt in Berlin sinnlos durch die Straßen als die Rußschleudern durch Buenos Aires", sagt Dietmar Reh. Und: Je länger Deutschland im Turnier ist, umso öfter sind die Autobahnen zu Spielzeiten leergefegt. "Da spart man die Fahnen wieder ein", lacht Stix.
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