Kleinstadt im Generationenkonflikt: Harte Mittel gegen Halbstarke
Um Jugendliche von Spielplätzen zu vertreiben, wollte eine Stadt ein Hochfrequenzgerät einsetzen, dessen Töne nur Teenager hören können. Doch das Gerät ist nicht unumstritten.
DISSEN taz Ein paar Mal sind die Mitarbeiter des Jugendzentrums mit ihrem Bus zum Spielplatz gefahren, um mit ihnen zu reden. Aber der Bus war schon von weitem zu sehen und kein Jugendlicher mehr da, als die Mitarbeiter endlich ausgestiegen waren. Doch einige Leute in Dissen glauben sowieso nicht mehr, dass reden noch helfen würde. Sie meinen, dass der Mosquito SMK II die Antwort wäre. Der Apparat stößt einen Pfeifton aus, den nur Jugendliche hören. Glaubt man dem Hersteller, ist er eine "unschädliche Lösung für ein modernes Zivilisationsproblem". Aber sie dürfen den Mosquito ja nicht einsetzen, das ist nun amtlich.
Der Mosquito: Mosquito SMK II ist ein Störgeräuschsender. Der graue Kasten ist zehn mal zehn Zentimeter groß, seine hohe störende Frequenz können nur Jugendliche wahrnehmen.
Die Möglichkeiten: Mosquito ist letzten Sommer in der Nähe von Osnabrück eingesetzt worden. Der Betreiber einer Strandbar wollte Jugendliche so zwingen, sich im bewachten Bereich beziehungsweise an seiner Bar aufzuhalten. Daraufhin hat die Gemeinde Dissen den Einsatz an einem Spielplatz erwogen, wo abends Jugendliche lungerten.
Die Prüfung: Als das niedersächsische Sozialministerium von dem Plan hörte, ließ es Mosquito von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin überprüfen. Das Ergebnis liegt nun vor. Die Prüfer kommen zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Mosquito Hörschäden verursachen könnte. Der gemessene Schalldruckpegel liege erheblich über der Herstellerangabe. Dissens Bürgermeister Georg Majerski erwartet nun eine aussagekräftige Entscheidung der Landesregierung.
Dissen ist eine Kleinstadt am Teutoburger Wald. 10.000 Menschen leben hier, es gibt die Firma Gausepohl, die täglich tausende Schweine und Rinder schlachtet, es gibt Homann, den Mayonnaisehersteller. Und es gibt eine Elterninitiative, die findet, dass es genug ist mit den zerschlagenen Klettergeräten und den Bierflaschen und der lauten Musik auf dem Spielplatz Eschenweg. Das ist an sich nichts Besonderes, es ist ein Streit um den öffentlichen Raum, wie es ihn immer und überall gibt. Nur dass er in Dissen mit neuen Bandagen, elektronischen sozusagen, ausgekämpft werden sollte.
Der Mosquito ist ein grauer Kasten, zehn mal zehn Zentimeter, er sieht aus wie eine Garagenlampe. Der Hersteller schreibt, das System generiere einen "sehr hohen modulierten Ton, um die 16 bis 18 Kilohertz". Nur Menschen bis zum Alter von etwa 25 Jahren können den Ton hören, weil das Gehör danach nachlässt. Und da die meisten Menschen, die mit dem Mosquito zu tun haben, älter sind, ist es schwierig, etwas Zuverlässiges darüber zu erfahren. Nur die Produktionsmanagerin der Firma Compro, die das Gerät in Vechta verkauft, ist gerade erst 25 geworden, sie sagt, es sei "wie ein durchgängiges Piepsen, ein bisschen pulsierend".
Tanja Havel arbeitet im Dissener Reisebüro, sie hat einen rotblonden Pferdeschwanz und lacht viel. Sie wirkt nicht wie eine Vertreterin der Politik der harten Hand. "Es heißt, wir wollten die Jugendlichen vertreiben", sagt sie. "Und eigentlich stimmt das." Sie hat nichts gegen Jugendliche, aber sie findet nicht, dass sie auf dem Spielplatz randalieren müssen. Sie findet nicht, dass dort Spritzen herumliegen sollten, auch wenn es nur einmal vorgekommen sein soll. Sie selbst hat nicht mit ihnen gesprochen, aber Anwohner - und die seien angepöbelt worden. "Mittlerweile sind die Jugendlichen nicht mehr so sanft."
Eigentlich hat Tanja Havel nur mit einer Freundin einen Anwohnerflohmarkt organisiert. Sie gingen von Haus zu Haus und fragten die Leute, was sie mit dem Erlös anfangen sollten. "Wir brauchen einen Zaun für den Spielplatz", sagten die. "Dann können wir abends zuschließen und die Jugendlichen kommen nicht mehr hinein." Der Flohmarkt war ein Erfolg, Tanja Havel und die Freundin gingen zu Gerd Majerski, dem Bürgermeister, und schlugen vor, damit einen Zaun zu bauen. 1,80 Meter sollte er hoch sein. Aber der Bürgermeister lehnte ab. "Das ist doch Käfighaltung", sagte er. 1,60 Meter, sagten sie. Majerksi lehnte wieder ab.
Gerd Majerski ist mit dem BMW zum Dissener Bahnhof gekommen, er will seinen Ort zeigen. Wenn nun schon die Medien darüber berichtet haben, dass die Gemeinde überlegt hat, Jugendliche mit Hochfrequenzgeräten zu vertreiben, möchte er wenigstens das Beste daraus machen. Also zeigt er Gausepohl, die Fleischverarbeitung, und Fuchs, den größten Gewürzhersteller Deutschlands, und dann fährt er hinaus zum Spielplatz Eschenweg, der eingerahmt ist von Backsteinhäusern mit Hecken drumherum. Es gibt zwei Wipptiere, ein bisschen Sand und einen Holzturm, den man kürzlich unten zugenagelt hat, weil die Jugendlichen ihn als "Urinal" benutzt haben. So hat Tanja Havel es formuliert.
Als der CDU-Mann Gerd Majerski vor drei Jahren zum Bürgermeister von Dissen gewählt wurde, gab er eine Studie in Auftrag über die Jugendangebote. Da stand, man müsse "Kinder und Jugendliche als Teil und Zukunft unserer Gesellschaft" sehen. Gerd Majerski, der alles richtig machen möchte, hört auf langen Fahrten gerne Schiller. Er findet, dass es ihm nun wie Gessler, dem verhassten Vogt in "Wilhelm Tell", gehe, der doch auch alles habe richtig machen wollen, es den Leuten aber nicht habe recht machen können. Majerski erzählt vom Hallenbad, das sie endlich renovieren wollen, von der Hauptschule, die die drittbeste in Niedersachsen sei, und vom Märchenwurm, mit dem sie den Kindern das Lesen nahe bringen wollen. "Kinder sind nachwachsende Rohstoffe", sagt er. Mit den Jugendlichen auf dem Spielplatz, den älteren Rohstoffen, hat er einmal gesprochen, sie haben ihn nicht angepöbelt, aber schließlich hätten sie auch gewusst, dass sie mit dem Bürgermeister sprachen. "Was wollt ihr?", hat er sie gefragt. Aber dazu sei ihnen nichts eingefallen. "Man kann nicht alle erreichen", sagt Majerski.
Im Rat haben sie geglaubt, dass das Mosquito-Gerät eine gute Lösung sei für die, die man nicht erreichen könne. Ein Ratsmitglied, das davon in der Zeitung gelesen hatte, hatte vorgeschlagen, die Sache prüfen zu lassen, der Rat war dafür. Aber dann hörte die niedersächsische Sozialministerin von den Plänen in Dissen und sagte in einem Interview, dass man lieber miteinander sprechen solle. Außerdem ließ sie den gewerbeärztlichen Dienst Oldenburg prüfen, ob der Mosquito nach dem Geräte- und Produktionssicherheitsgesetz genehmigungspflichtig sei. Nein, antwortete der gewerbeärztliche Dienst, das sei er nicht, und gesundheitliche Risiken konnte man auch nicht finden. Dann sollte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin genauer untersuchen, ob der Mosquito gesundheitsschädlich ist oder nicht.
"Es geht nicht um Dissen, es geht um das große Ganze", sagt der Sprecher der Ministerin. Das große Ganze ist die Tendenz, die hinter dem Einsatz eines solchen Geräts stecken würde und die "einen nicht glücklich macht", so der Sprecher. "Am Anfang sollte das Gespräch stehen." Nun ist die Studie fertig (siehe Kasten). Das überraschende Ergebnis: Der Mosquito ist alles andere als unbedenklich. Die Dissener werden sich etwas Neues einfallen lassen müssen.
Der Spielplatz Eschenweg ist an diesem Wintertag so leer, als sei der Mosquito doch in Betrieb. Im Ortszentrum gibt es den Jugendtreff Fifty-One in einem ehemaligen Laden, wo Grünpflanzen um einen Billardtisch und eine Bar gruppiert sind. Draußen stehen drei Jungs, denen man anhört, dass sie aus der ehemaligen Sowjetunion kommen. Freundlich sagen sie, nein, im Eschenweg seien sie nicht gewesen, aber auf dem Spielplatz Mozartstraße. "Wir wurden ständig weggeschickt, wegen jedem Scheiß. Ab und zu waren wir auch richtig laut, und nach ner Weile gingen wir den Leuten auf die Nerven. Selbst wenn wir nichts machten."
Drinnen, hinter den Plastikvorhangfransen, steht eine Mitarbeiterin des Jugendzentrums und verteilt Queues. Alkohol ist verboten, und um acht wird abgeschlossen. "Man wird nie alle erreichen", sagt sie. So hat das auch Gerd Majerski gesagt. "Manche wollen einen Raum ohne Kontrolle."
Markus Achermann ist Vertriebsleiter bei Arcawa, der Schweizer Firma, die Mosquito in Österreich, der Schweiz und seit diesem Jahr in Deutschland vertreibt. Er ist nett am Telefon, und wenn man ihm glauben darf, verbringen seine Mitarbeiter viel Zeit damit, Privatleute davon zu überzeugen, dass es keine gute Idee ist, Kinder vom Nachbarspielplatz mit Mosquito in die Flucht zu schlagen. "Und wenn sie hören, dass das Gerät 750 Euro kostet und man einen Installateur braucht, bricht die Nachfrage schnell zusammen." Dann muss Markus Achermann nicht mal darauf hinweisen, dass man nur sein eigenes Grundstück beschallen darf. Die Leute rufen immer dann an, wenn etwas in den Zeitungen über den Mosquito steht, es spielt dabei keine Rolle, ob es ein Artikel ist, der nahe legt, dass der Mosquito keine gute Lösung ist.
Markus Achermann will keine genauen Verkaufszahlen nennen. Die Herstellerfirma hat diverse Expertisen eingeholt, die die gesundheitliche Unbedenklichkeit bestätigen sollen. Sie hat sogar bei einem Rechtsanwaltsbüro in Cambridge prüfen lassen, ob die Grundrechte dadurch eingeschränkt würden. Die Anwälte kamen zu dem Schluss, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit nicht "das Recht von Teenagern einschließt, sich ohne bestimmtes Ziel zu versammeln. Das Gerät hindert Menschen nicht daran, sich zu versammeln, sondern nimmt ihnen die Motivation, an einem bestimmten Ort herumzulungern."
Dennoch haben einige Schweizer Kantone das Gerät verboten, aber in anderen benutzen es Schulen und Behörden. Und in England soll es an einem Polizeiwagen installiert worden sein, um unerwünschte Ansammlungen von Jugendlichen zerstreuen zu können. Der freundliche Markus Achermann sagt, dass diese Erfindung wohl die "gesellschaftliche Situation" spiegle, "vielleicht auch die Hilflosigkeit". Er findet es schade, dass der Markt danach verlangt. Und er findet die Berichte seiner Kunden erschreckend. Das seien Leute, die schlicht Angst hätten, dass ihr Geschäft abbrenne, wenn wieder einmal die Abfallcontainer angezündet würden, Leute, die ihm erzählten, dass die Polizei nicht mehr käme, wenn sie sie riefen. "Jetzt gibt es vielleicht wieder ein bisschen eine Diskussion darüber", sagt Markus Achermann.
Weil die Idee, den Mosquito zu installieren, für so viel Unruhe gesorgt hatte, denkt man in Dissen jetzt über Alternativen nach. Georg Majerski hätte gern eine Videokamera am Spielplatz installiert, aber das hat der niedersächsische Datenschutzbeauftragte abgelehnt. Die Mütter von der Elterninitiative sammeln jetzt für eine Skaterbahn, aber die soll 20.000 Euro kosten und der Flohmarkt hat nur 4.000 Euro eingebracht. Bei einer Befragung haben sich die Dissener Schüler vor allem einen McDonalds gewünscht.
Der Erfinder des Mosquito, Howard Stapleton, hat übrigens gerade etwas Neues entdeckt: einen Klingelton für Handys, den nur Jugendliche hören.
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