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■ Kleinkrieg in der LindenstraßeDeutsche Idylle

Mitglieder des Bezirksamtes und des Sozialsenats, des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlung sowie die Polizei verständigen sich mit den betroffenen Anwohnern über die Verkehrsführung in einer kleinen Marzahner Seitenstraße. Wo soviel Kompetenz sowenig regelt, kann normalerweise getrost von einer erneuten Zusammenballung des sattsam bekannten Berliner Provinzialismus ausgegangen werden. Nicht jedoch im vorliegenden Fall. Hier ist es Ausdruck einer zeitweisen Verunsicherung des Gemeinwesens über die Regeln, nach denen es mit seinen Minderheiten umgeht. Zehn Anwohner wollen ihre Ruhe haben und verlangen deshalb, daß ihre Straße gesperrt wird. So weit, so verständlich.

Nun sind diejenigen, die die Idylle stören, die Bewohner eines naheliegenden Asylbewerberheims. Es mag dahingestellt sein, ob sich das lautstark vorgebrachte Ruhebedürfnis der Anwohner lediglich implizit oder expressis verbis gegen die Ausländer richtet. Der Bürgermeister, der sich ihre Interessen vor fünf Wochen zu eigen machte und eine Sperrung der Straße prüfen ließ, grenzte damit nicht irgendwelche Nutzer aus, sondern Ausländer. Denn auf die Idee, gegen ethnische Gruppen mittels der Straßenverkehrsordnung vorzugehen, kann man nur kommen, wenn man sie nicht als gleichberechtigte Konfliktpartei innerhalb der Bevölkerung betrachtet, sondern von deutscher Warte aus agiert.

Um diese nicht verlassen zu müssen, wurde wohl auch darauf verzichtet, neben allen Anwohnern der Straße auch die Bewohner des Heimes zu Vermittlungsgesprächen einzuladen. Daß dabei lediglich eine Teilsperrung beschlossen wurde, kann getrost als Ausdruck des schlechten Gewissens der politischen Instanzen gewertet werden, das sich ob des öffentlichen Protestes einstellte. Daß nunmehr der Heimbetreiber auf alle Heimbewohner „einwirken“ wird, künftig nicht nur mit dem Auto, sondern auch zu Fuß eine andere Straße zu nutzen, bezeugt, daß das Gewissen nicht schlecht genug ist, um nicht durch das Gefühl, deutsch und damit im Recht zu sein, aufgewogen zu werden. Dieter Rulff

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