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“Kleinigkeiten überhört“

■ Betr.: „Kultura Femina“ vom 8.10.90

Was inzwischen selbstverständlicher geworden ist in autonomen Frauenzusammenhängen und — projekten, scheint an den TAZ-Frauen vorbeigegangen zu sein: das Sich-Auseinandersetzen mit Frauenkonkurrenz. Über Veranstaltungen von selbstbewußten und offensiven Feministinnen, die weder in ihren Inhalten noch als Person dem Rollenklischee des hilfsbedürftigen Opfers entsprechen, wird regelmäßig in einem bestimmten Tonus berichtet: ein subtiles Nicht-Ernstnehmen (Kaffeklatschatmosphäre), unangebrachte Polemik, klischeehafte Darstellungen,dezentes Verschweigen z.B. von Lesben (es sei denn wie am Samstag, den 6.10. unter der Überschrift „Kauf Sex in Bremen“). Das aktuellste Beispiel dieser Art Berichterstattung ist der Artikel von Barbara Debus über die Matinee „Frauenkultur“ im Rahmen der Diskussionsreihe „Lebendige Stadt“ der Shakespeare Company. Barbara Debus vermittelt den Eindruck eines freundlich-betulichen Kaffeklatsches an einem gemächlichen Sonntagnachmittag, wo alle TeilnehmerInnen einvernehmlich ein wenig über dies und das sprachen, das Thema völlig vermieden, um dann gemeinsam das Klagelied der Armut anzustimmen. Wohlgemerkt: freundlich und lustvoll im Gleichklang. Das ist die Version-Projektion von B.D. Richtig ist: 117 Frauen (statt „rund 80“) und 6 Männer diskutierten konzentriert und engagiert, zugegeben in freundlicher Attmosphäre, über Frauenkultur in Bremen. Dabei „rankte“ sich die Diskussion nicht um die Stichworte „Lust, Räume, ABM“, sondern um die Aspekte:

1) Was heißt Frauenkultur — feministische Kultur?

2) Welche Bedeutung hat Öffentlichketisarbeit für Frauenkultur und wie wird sie in den Bremer Medien dargestellt?

3) Frauenprojekte: Von der Selbsthilfe zur Professionalität und damit verbunden die Forderung nach mehr Räumen und gesicherter Finanzierung. Jeder dieser Aspekte wurde durch einen inhaltlichen Beitrag von Vertreterinnen der autonomen Frauen-Kultur-Projekte eingeleitet. Dies sind anscheinend „Kleinigkeiten, die eine TAZ-Journalistin durchaus überhören kann, und deshalb bleiben sie unerwähnt. Stattdessen zeigt B.D. ein so hohes Maß an Feinfühligkeit, daß sie die „sich regende Lust an Frauenkulttur“ wahrnimmt, wo alle anderen Teilnehmerinnen noch nichts gespürt haben. Auch kamen die meisten Podiumsbeitrage von autonomen Frauenprojektefrauen. Doch werden diese (5 Frauen) in der Berichterstattung weder namentlich genannt noch zitiert (von einer Ausnahme abgesehen), hingegen alle drei Vertreterinnen der gemischt-geschlechtlichen Kulturprojekte ihren Raum und Namen im Artikel erhalten. Interessant zudem, daß B.D. die Sichtbarmachung von Lesben in den Projekten und die Problematisiereung der Zwangsheterosexualität in dem Artikel einfach (!) vergißt, dafür jedoch die Kritik einer Hetera-Frau an der Frauenbewegung ausführlich und namentlich zitiert. Der Weser-Kurier macht es übrigens genau umgekehrt. Konnte die Autorin sich mit den gemischtgeschlechtlichen Projektfrauen leichter solidarisieren? Es ist ja auch schwer, inhaltlich andere Standpunkte wahrzunehmen, zu akzeptieren und damit die Differenz unter Frauen zuzulassen, zugegeben auch als Journalistin.

Autonomes Frauenprojekteplenum 10.10.90, Altenbücken — Frauenbildungs-und Ferienhaus, belladonna, Beratungsladen, Bremer Frauenhaus, Bremer Frauenwoche, Filiale des Frauenkulturhauses, Frauenkulturhaus, Frauenstadthaus,Frauentherapiezentrum, Mädchenhaus, Schattenriß

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