piwik no script img
taz logo

Kleine Teilchen mit großer WirkungNanopartikel töten Wasserflöhe

Wasserflöhe können sich schlechter häuten, wenn Nanopartikel im Wasser sind. Noch unerforscht ist, was mit größeren Tieren passiert. Und mit denen, die die Flöhe fressen.

Wasserfloh Daphnia Magna, hier allerdings ein erwachsenes (weibliches) Exemplar. Bild: Ντάνκαν | CC-BY

BERLIN taz | Wie gefährlich ist Sonnenmilch mit Nanopartikeln aus Titandioxid für Wasserlebewesen? Wahrscheinlich gefährlicher als bisher angenommen. Das legt eine Studie des Instituts für Umweltwissenschaften der Uni Koblenz-Landau nahe.

In der Studie wurden Wasserflöhe deutlich länger Nanopartikeln ausgesetzt, als dies Standardtests vorschreiben. "90 Prozent der Tiere starben", sagt Studienleiter Ralf Schulz. Er hatte Wasserflöhe in Wasser mit verschiedenen Konzentrationen von Nano-Titandioxid schwimmen lassen. Ab einem Wert von 0,24 Milligramm pro Liter zeigten sich die Partikel Wirkungen.

Wasserflöhe durchlaufen in ihrer Kindheit mehrere Häutungen, weil ihre Chininhülle sie wie ein fester Panzer umgibt, der nicht mitwachsen kann. An diesem Panzer nun setzen sich die winzigen Nanopartikel, gegen die ein Haar wie ein Bleistift wirkt, fest. "Die erste Häutung nach 36 Stunden haben die etwa ein Millimeter großen Tiere auch mit ihrem Ballast aus Titandioxid geschafft", sagt Schulz. Doch bei der zweiten Häutung nach 72 Stunden seien die meisten Flöhe gestorben. "Offenbar waren sie durch die Last der Partikel geschwächt", so der Ökotoxikologe.

Alarmierend ist nun, dass gewöhnliche Standardtests die Tiere nur 48 Stunden beobachten. "Dann wirken die Partikel noch gar nicht", so Schulz, "es könnte also sein, dass wir uns in falscher Sicherheit wiegen." Denn die toten Wasserflöhe werfen eine Reihe von Fragen auf. Größere Organismen, wie Fische, stören sich offenbar nicht daran, wenn sich Titandioxid-Nanostaub auf sie legt. Auch erwachsene Wasserflöhe können damit leben, nur der Nachwuchs hat Probleme damit. Wie reagieren nun andere Organismen wie Algen auf die Belastung? Und was passiert mit den Tieren, die mit Partikeln belegte Insekten oder Pflanzen fressen? Schulz: "Hier besteht noch ein enormer Forschungsbedarf."

Die OECD wollte schon 2009 Ergebnisse vorlegen

Titandioxid kommt in der Erdkruste häufig vor und ist nicht giftig. Als Nanopartikel macht es Sonnenmilch, Zahnpasta und Spezialfarben weiß – und zeigt neue Eigenschaften.

Eine Arbeitsgruppe der in Bezug auf standardisierte Testverfahren tonangebenden Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) werkelt seit Jahren an der Anpassung bestehender Testmethoden an Nanomaterialien. Eigentlich wollte sie schon Ende 2009 fertig sein, nun hat sie Ergebnisse für Mitte 2012 angekündigt. "Die Forschung über Verhalten und Effekte von Nanomaterialien in der Umwelt ist ein langwieriger Prozess", sagt Kathrin Schwirn vom Umweltbundesamt. Es sei verständlich, dass die Untersuchungsmethoden und damit auch die Regulierung noch nicht entsprechend weiterentwickelt seien.

"Wir müssen uns sputen", warnt hingegen Umweltwissenschaftler Schulz. Nanopartikel würden im großen Maßstab produziert und in die Umwelt entlassen. "Wir sollten nicht erst in zehn Jahren feststellen, dass das nicht verantwortlich war."

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • P
    Peter

    Wesentlich ist: Nanomaterialien haben gänzlich andere physikalische und chemische Eigenschaten als der feste Aggregatzustand der entsprechenden Elemente oder Verbindungen. Dass sehr fein teilbare Materialien extreme Risiken beinhalten, weiß man seit der Erkenntnis, dass Asbest Lungenkrebs verursacht - die Fasern sind so klein, dass sie durch Körpergewebe wie das Brustfell wandern können.

  • H
    hto

    "Titandioxid kommt in der Erdkruste häufig vor und ist nicht giftig. Als Nanopartikel macht es Sonnenmilch, Zahnpasta und Spezialfarben weiß – und zeigt neue Eigenschaften."

     

    - vielleicht weil es als E 171 künstlich und somit sehr sehr sehr viel haltbarer hergestellt wird!?

  • T
    Toby

    Kennzeichnungspflicht für Nannotechnologie!

    Ich jedenfalls wußte gar nicht, daß so was überhaupt in Sonnenmilch und Zahnpasta sein könnte.

  • FS
    Frau Schröder

    Dem letzten Absatz kann sich ja nur jeder vernünftige Mensch anschließen. Leider sind die Vernünftigen nicht an der Macht.

    Ach, und bitte, es ist CHITIN, nicht Chinin. Man ißt keine Käfer und Krebslein, wenn man Malaria hat.

taz zahl ich illustration

tazzahl ich

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen stehen hinter der taz im Netz – danke dafür! Danke für die Solidarität, den Zuspruch und die Unterstützung, die unseren unabhängigen, kritischen Journalismus möglich macht. Noch nicht dabei? Werde jetzt Teil der Community und mach mit!

  • Ja, ich will
  • Unterstützen Sie die taz jetzt freiwillig mit Ihrem Beitrag
  • Vielen Dank, dass Sie die taz unterstützen
  • Schon dabei!