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Klein, aber fein

■ betr.: „Eine Brücke der Hoffnung nach Ex-Jugoslawien“, taz vom 11.11.93

[...] Ich beschränke mich auf das kleine Komitee für Grundrechte und Demokratie, dessen Sekretär ich bin, und kann auch hiervon nur ausschnitthaft berichten.

Ich selbst war seit der Friedenskarawane im Herbst 1991 inzwischen 26mal – meist mit Freundinnen und Freunden – in politischer und humanitärer „Mission“ in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Serbien. Weitere Mitglieder haben für das Komitee zusätzlich elf Besuche abgestattet, und Leute von uns haben in den letzten zwei Jahren mindestens an 100 Informations- und Diskussionsveranstaltungen teilgenommen bzw. solche gestaltet.

Ausschließlich durch Spendensammlungen haben wir in diesem Zeitraum in einem Wert von zirka 2,4 Millionen DM politische und humanitäre Hilfe geleistet. Das Geld kam durch zirka 22.220 Einzelspenden zusammen. Eine Kleinbroschüre „Helfen statt schießen!“ hat in drei aktualisierten Versionen eine zum Selbstkostenpreis verkaufte Gesamtauflage von 880.000 Exemplaren erreicht.

Einige Angaben der Hilfsaktionen des Komitees für Grundrechte und Demokratie im einzelnen, seit etwa Anfang Juni 1993 bis Ende Oktober 1993:

Bosnien-Herzegowina: Infrastruktur 3.000 DM (Friedensforum Sarajevo); Medikamtente: Wert zirka 60.000 DM an muslimische Gesundheitszentren in vier verschiedenen Städten; Kostenanteil für einen Lkw, der von Zagreb nach Bosnien fährt zirka 8.000 DM; Medikamentenanteil für Fahrten mit diesem Lkw nachBosnien zirka 75.000 DM (drei Lieferungen nach Tuzla). Außerdem wurden mit dem Lkw vor allem für den „Roten Halbmond“, dem dies selbst untersagt ist, humantäre Hilfsgüter im Wert von zirka 600.000 DM nach Bosnien gebracht.

Serbien: Infrastruktur 5.000 DM (u.a. Friedenszentraum Belgrad, Frauen in Schwarz, Koordination für Deserteure); Medikamente im Wert von zirka 90.000 DM an Flüchtlingslager (insgesamt gibt es geschätzt 800.000 Kriegsflüchtlinge in Serbien); Medikamente im Wert von zirka 70.000 DM an zwei serbische Ambulanzen in UN-Mandatsgebieten.

Kroatien: Waisenheim in Slavonski Brod: Medikamente, Vitamine und ernährungsförderliche Süßigkeiten im Wert von zirka 28.000 DM; Infrastruktur des Friedens- und Menschenrechtszentrums in Zagreb 8.000 DM (u.a. Frauenhaus Zagreb, Rechtskosten für Kriegsdienstverweigerung); weitere 7.000 DM an das Friedenszentrum Zagreb zur Finanzierung der gerade erschienenen Antikriegszeitung Arzin; Suncokret (Internationale Freiwillige in Flüchtlingslager): Infrastruktur 8.000 DM; Patenschaften für kroatische Langzeitfreiwillige sowie für deutsche und osteuropäische Freiwillige in den Lagern 11.100 DM; Nexus HumMed (zuständig für medizinische und humanitäre Hilfe in Flüchtlingslagern) für Infrastruktur 13.000 DM sowie Medikamente im Wert von zirka 120.000 DM; Wiederaufbauprojekt Pakrac (eine kroatisch/serbisch geteilte, völlig zerstörte Kleinstadt in Slawonien) für Infrastruktur 3.000 DM sowie Medikamente und andere humanitäre Güter im Wert von zirka 40.000 DM; autonome muslimische Frauenambulanz an der Moschee in Zagreb, die sich um die Ärmsten der Armen der Flüchtlinge, also überwiegend Alte, Frauen und Kinder, die nicht einmal einen Platz in einem Flüchtlingslager haben, kümmern, Medikamente im Wert von 130.000 DM.

Da solche private Hilfe nicht nur vom Komitee kommt und auch nicht nur aus Deutschland, dürfte es zutreffen, was mir ein hoher Field-Officer der UNHCR vor etwa sechs Wochen im Mandatsgebiet in Slawonien versicherte, daß nämlich nach seiner und seiner MitarbeiterInnen eher zurückhaltenden Schätzung die humanitäre und medizinische Hilfe zum Beispiel in Slawonien etwa 30 Prozent ausmacht im Verhältnis zu dem, was von den großen Organisationen und den Regierungen kommt.

Nicht zu unterschätzen ist zudem, daß sehr viele Organisationen und Gruppen, die helfen, so wie dies auch für das Komitee für Grundrechte und Demokratie zutrifft, Geld in die Hilfs-Infrastruktur in Ex-Jugoslawien stecken (damit die Organisationen dort überhaupt arbeitsfähig sind), die Hilfsgüter meist selbst bis an Ort und Stelle zu den Bedürftigen bringen und mit einer friedenspolitischen Option arbeiten, indem sie Antikriegs- und Menschenrechtsgruppen, Kriegsdienstverweigerer und Deserteure sowie kleine Gruppen, die sich unter Kriegsbedingungen für eine Demokratisierung, Zivilisierung und partielle Verständigung zwischen den Fronten einsetzen.

Gewiß ist das alles unzureichend, angesichts der immer neuen Grausamkeiten dieses Krieges. Dennoch zählt jedes Menschenleben, das auf diese Weise gerettet wird, und zählt jeder Mensch, wenn er nach schrecklichen Leiden und Erfahrungen wieder eine Lebensperspektive findet.

Es ist schade, daß, wie man behaupten kann, „durch die Bank weg“ das unermüdliche Hilfsengagement kleiner Gruppen und kleiner Organisationen sowie einzelner in der veröffentlichten Meinung so gut wie keine Resonanz findet. Nun ja, das erleichtert immerhin die so gerne wiederholte stumpfsinnige Frage: „Was macht eigentlich die Friedensbewegung?“ Klaus Vack, Komitee für Grund-

rechte und Demokratie e.V.,

Sensbachtal

Spendenkonto: Komitee für Grundrechte und Demokratie, Stichwort: „Humanitäre Hilfe“, Volksbank Odenwald, 64743 Beerfelden, Bankleitzahl 508 635 13, Konto-Nr. 8024 618

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