Klausurtagung der FDP: Liberale wollen sozialer werden
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger möchte die oberen Einkommensklassen stärker belasten. Auf einer Klausurtagung will die FDP außerdem über Ausweg aus dem Umfragetief diskutieren.
BERLIN dpa | Die FDP kommt am Sonntag zu einer zweitägigen Klausurtagung von Partei- und Fraktionsführung in Berlin zusammen. Dabei geht es vor allem darum, mit Kurskorrekturen aus dem Umfrage- und Stimmungstief herauszukommen. Am Samstag hatte es erneut Forderungen aus der FDP-Basis an Parteichef und Außenminister Guido Westerwelle gegeben, die Führung verstärkt in andere Hände zu legen, ohne sie aber formal abzugeben.
Dem Vernehmen nach wird in der FDP-Spitze über eine "sozialverträgliche Verbesserung der Einnahmen" diskutiert, um in einem zweiten Schritt Steuerentlastungen für die Mittelschicht doch noch in dieser Legislaturperiode zu erreichen. Auch eine Anhebung der sogenannten Reichensteuer - derzeit 45 Prozent ab 250 000 Euro Jahreseinkommen - wird nicht ausgeschlossen. Die Forderung nach einem höheren Spitzensteuersatz - derzeit 42 Prozent - gilt in der FDP dagegen als sehr unwahrscheinlich.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger plädierte für eine stärkere Belastung der oberen Einkommensgruppen. "Steuerpolitik heißt Umverteilen", sagte sie der "Welt am Sonntag". "In solch schwierigen Zeiten müssen auch wir in der FDP uns fragen, wie wir diejenigen Bürger im oberen Einkommensbereich daran beteiligen können, dass die mittleren und unteren Einkommen entlastet werden. Die starken Schultern müssen mehr tragen." Es müsse klar sein, "dass wir das Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich verhindern. Die Leistungsträger müssen dazu beitragen, den Sozialstaat zu finanzieren", sagte die FDP-Ministerin.
Leutheusser-Schnarrenberger schlug vor, Steuersubventionen abzuschaffen, die bestimmte Gruppen bevorzugen. Sie forderte, das Mehrwertsteuersystem müsse grundsätzlich überarbeitet werden. "Das dürfen wir nicht auf die lange Bank schieben. Die FDP muss deutlich machen, dass wir Gerechtigkeit auch im Steuersystem erzeugen wollen." Die Ministerin verteidigte den FDP-Vorsitzenden Westerwelle und machte die CSU für den Dauerstreit in der schwarz-gelben Koalition verantwortlich. "Guido Westerwelle bekommt zu Unrecht einseitig viel vom Missmut über den schlechten Start dieser Koalition ab. Daran tragen alle Koalitionspartner Schuld, vor allem die CSU."
FDP-Vize Andreas Pinkwart warnte die Partei davor, Kernkompetenz in der Steuer, Finanz- und Wirtschaftspolitik aufzugeben. "Zur Verbreiterung der Programmatik gehört auch, dass die Schwerpunkte der Partei gepflegt werden", sagte er der Nachrichtenagentur dpa zur Diskussion in der FDP. Vorrang habe jetzt die Konsolidierung der staatliche Finanzen. Danach könne es auch Steuerentlastungen geben. Als Beispiel für eine Verbesserung der Einnahmen nannte er den Abbau von Ausnahmeregeln bei der Mehrwertsteuer. Die Einnahmen daraus könnten dann zusätzlich in die Bildung fließen.
Der Berliner FDP-Vorsitzende Christoph Meyer forderte Westerwelle auf, das Schwergewicht auf sein Amt als Außenminister zu legen und Parteiinterna mehr an andere zu delegieren. "Ein Außenminister, der zugleich Parteivorsitzender und Vizekanzler ist, kann diese drei Rollen nicht alle gleich stark spielen", sagte Meyer der dpa. "Die Konzentration von Westerwelle auf die Außenpolitik ist ein richtiger Schritt. Die parteiinternen Arbeiten müssen dann mehr auf andere Schultern delegiert werden."
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