Klassikalbum „Alles wieder gut“: Wirtshaus zum satten Bariton

Die Tiroler Kapelle Musicbanda Franui und der Bassbariton Florian Boesch vertonen Kunstlieder von Schubert auf ihrem Album „Alles wieder gut“.

Die elf Musiker von Franui in einer Werkstatt

Sieht eher nach Arbeit als nach Kunstlied aus: Musicbanda Franui in einer Werkstatt Foto: Julia Stix

Innervillgraten ist ein österreichisches Dorf in Osttirol, schon in den Dolomiten, kurz vor der Grenze zu Italien gelegen. Aus diesem überschaubaren – und aus Flachlandsicht durchaus: entlegenen – Tal stammt der Großteil der heute elfköpfigen Musicbanda Franui. Man kennt sich seit Ewigkeiten, hat einst damit angefangen, auf Beerdigungen und anderen regionalen Feierlichkeiten zu spielen, und danach gemeinsam im Gasthaus gehockt.

An den langen Winterabenden in eben diesem Lokal, so will es die Banda-Legende, habe man begonnen, auf den zum Teil traditionellen Instrumenten (darunter vielen Blasinstrumenten) Schubert-Lieder zu spielen. Der Rest ist sozusagen Geschichte; denn mit ihrer unnachahmlichen Methode, sich die Liedklassiker der Musikgeschichte anzuverwandeln, sind Franui inzwischen in ganz Europa bekannt.

Die ungewöhnliche Formation arbeitet immer wieder mit namhaften Künstler:Innen aus verschiedenen Bereichen zusammen. Einer davon ist seit ein paar Jahren der Bassbariton Florian Boesch, mit dem ein abendfüllendes Programm entwickelt wurde, das nun auch auf Albumlänge (als Tonträger und bei Spotify) erhältlich ist.

Der Albumtitel „Alles wieder gut“ muss natürlich programmatisch aufgefasst werden. Es steckt darin eine ganze Wagenladung liebevoller Nachsicht gegenüber dem musikalischen Gegenstand, mit dem man sich hier so eingehend beschäftigt: dem romantischen Kunstlied. Robert Schumann, Franz Schubert, Johannes Brahms und Gustav Mahler (sowie ihre Textlieferanten Joseph von Eichendorff, Heinrich Heine, Johann Wolfgang von Goethe, und unter anderen auch wieder: Mahler) haben es darin zur Meisterschaft gebracht, dem Gefühl tiefen Weltschmerzes ultimativen künstlerischen Ausdruck zu verleihen.

Liebes- und Todessehnsucht gehen Hand in Hand in diesen Liedern und Texten; emotionale Zustände wie Einsamkeit, Verlassensein und Trauer werden zu überwältigenden Gefühlen, in denen sich um so schöner wälzen lässt, wenn sie auch noch in Gesang gegossen werden. Genau gegen dieses Sich-im-Elend-Wälzen richtet sich die Zurichtung der Lieder durch die alpenländische Musicbanda.

Musicbanda Franui & Florian Boesch: „Alles wieder gut. Wir sehnen uns nach Hause/Und wissen nicht wohin?“ (col legno/Naxos)

In den Franui-Arrangements, die eigentlich eher Neukompositionen sind, ist die traditionelle klare Rollenverteilung zwischen Gesang und Begleitung deutlich verschoben worden. Alle Instrumente scheinen eigene Rollen und Haltungen zu den Mini-Dramen auszuagieren, die sich im Gesangspart abspielen. Dabei wird das Sängerelend meist gerade nicht emotional verstärkt, sondern im Gegenteil vom individuellen Treiben der Instrumente ironisch (aber unbedingt sympathisierend) kommentiert.

Spöttisch präludiert

So schmerzlich der dunkelsamtene Bass von Florian Boesch seine Phrasen durchlebt, so unmöglich ist es den Zuhörenden, sich diesen Weltschmerz ungefiltert zur Brust zu nehmen, wenn gleichzeitig neben dem Sänger eine Klarinette spöttisch präludiert, eine Trommel auffordernd puckert und eine Zither so ungemein menschenfreundlich zirpt.

Umgekehrt gilt aber auch: Wenn die große Banda schweigt und der Sänger nur begleitet wird vom minimalistischen Pulsieren eines oder zweier Instrumente, kann das zum Atemanhalten berührend sein.

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