Klarer Deal: "Mann macht sich nichts vor"
Thailändische Frauen und deutsche Männer: Finanzielle Hilfe gegen Intimität.
sonntaz: Frau Ruenkaew, deutsche Männer, thailändische Frauen - was hat Ihre soziologische Untersuchung zu diesem Thema ergeben?
Pataya Ruenkaew: Bei den Thailänderinnen handelt es sich keinesfalls um arme Frauen, die von gewissenlosen Schlepperbanden an verrohte deutsche Männer vermittelt wurden.
Sondern?
Pataya
Die Bielefelder Soziologin untersucht seit 1989 thailändisch-deutsche Ehen, im Jahr 2003 erschien dazu ihre Doktorarbeit "Heirat nach Deutschland". Bis heute engagiert sie sich mit dem Verein "Thara" in der Beratung thailändischer Frauen im Ausland.
Die Frauen, aber auch die Männer machen sich nichts vor, beide Seiten wissen, auf was sie sich einlassen. Die Frauen wollen nach Deutschland, um hier Arbeit zu finden. Aus ihrer Sicht sind sie keine Opfer von Frauenhandel. Die Hauptsache für sie ist, dass die Männer ihre Familie in Thailand finanziell unterstützen. Wenn das klappt, dann funktioniert auch die Ehe. Die Männer sehnen sich nach Liebe und Intimität und die Frauen kümmern sich um sie - aus Dankbarkeit, manchmal auch aus Mitleid.
Kann man sagen, was das für Männer sind?
Bei den Männern handelt es sich oft um Nesthocker, manche leben noch bei der Mutter, haben keine Beziehungen. Viele sind schüchtern, Einzelgänger - und gezwungen, auf anderen Wegen eine Frau zu finden. Nicht zuletzt helfen die Frauen ihnen, ein ordentliches Leben zu führen.
Wie finden die Männer die sogenannten Thai-Bräute?
Die Situation hat sich stabilisiert. Die Frauen sind nicht mehr bereit, als Zeugen in Schlepperbandenprozessen aufzutreten, weil sie damit ihrer Schwester oder anderen Frauen den Weg hierher verbauen. Seit 2000 gibt es kaum noch Prozesse wegen Frauenhandel: keine Zeugen, keine Verfahren, keine Statistik. Heute gibt es nur noch kleine Schlepperbanden. Die Vermittlung an Deutsche läuft zumeist über Heiratsagenturen, Sextourismus oder thailändische Ehefrauen ihrer Kollegen.
Was sind das für Frauen?
Die meisten gehörten zur unteren Mittelschicht und hatten keine sozialen Aufstiegschancen in Thailand. Daheim hatten die Frauen als Prostituierte vielleicht vier Männer, von denen sie Geld bekamen, aber dann entschieden sie sich für einen, den sie als treu und ehrlich einschätzten. Heute leben 55.000 Thaifrauen legal in Deutschland und es werden immer mehr.
Man sagt, die Männer aus dem Westen verlieben sich in Thailand wahllos neu, während die Frauen aus dem Westen in der Türkei, Afrika oder Jamaika die große Liebe suchen?
Ich habe in Kenia im Aussteiger-Projekt Solwodi von Lea Ackermann eine dreisemestrige Lehrforschung gemacht und würde sagen, auch bei den Westfrauen handelt es sich um Sextourismus.
Pataya , die Bielefelder Soziologin untersucht seit 1989 thailändisch-deutsche Ehen, im Jahr 2003 erschien dazu ihre Doktorarbeit "Heirat nach Deutschland". Bis heute engagiert sie sich mit dem Verein "Thara" in der Beratung thailändischer Frauen im Ausland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren