piwik no script img

Archiv-Artikel

Klare Worte sind aus Berlin nicht zu erwarten

Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl warten auf eine Stellungnahme von Rot-Grün. Eine eindeutige Verurteilung der Massenabschiebungen werden sie aber kaum bekommen. Die Regierungskoalition ist sich nicht einig, ob Italiens Praxis gegen internationales Recht verstößt

Von AGX

BERLIN taz ■ Auf Unterstützung der rot-grünen Bundesregierung in Berlin sollte die linke Opposition in Italien wohl besser nicht hoffen bei ihrem Protest gegen die jüngste Innovation Roms gegen Bootsflüchtlinge. Was von den Massenabschiebungen nach Libyen zu halten sei? Dazu war am Montag weder aus dem Bundesinnenministerium noch aus dem Außenministerium ein Kommentar zu bekommen.

Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, wollte sich über die Rücktransporte nach Libyen nicht öffentlich aufregen: „Ich kann nicht erkennen, dass die Italiener hier in irgendeiner Weise völkerrechtswidrig handeln oder gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen“, sagte er der taz. Natürlich müsse sichergestellt sein, dass die Zurückverfrachteten tatsächlich alle aus Libyen stammten. Daran zu zweifeln sieht Wiefelspütz aber keinen Anlass. Außerdem sei es nicht Sache der Bundesrepublik, sich in die bilaterale Angelegenheit zwischen Rom und Tripolis einzumischen.

Doch diese Sicht ist auch in der rot-grünen Koalition nicht unumstritten. So fordert der Grünen-Einwanderungsexperte Volker Beck, auch die italienischen Behörden müssten bei allen Bootsflüchtlingen prüfen, ob sie womöglich Anspruch auf Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention hätten. „Hierfür muss es ordentliche gerichtliche Verfahren geben“, verlangte Beck. „Alles andere ist nicht akzeptabel.“

Die Kritik deutscher Flüchtlingshilfeorganisationen wie Pro Asyl fällt wesentlich deutlicher aus. Sie prangern die Luftbrücke nach Tripolis als „glatten Verstoß“ gegen die Genfer Flüchtlingskonvention an. Rom breche mit der neuen Abschiebepolitik als EU-Mitgliedstaat eindeutig internationale Abkommen, kritisierte der Europa-Referent von Pro Asyl, Karl Kopp. Jedem Flüchtling stehe zu, dass sein Fall von einer „kompetenten Asylstelle“ geprüft werde. Davon könne jedoch im Fall der Sofortabschiebungen nach Libyen nicht die Rede sein. „Da entscheiden Grenzschützer bei der Evakuierung der Schiffe, ob die Menschen an Bord schutzbedürftig sind“, erklärte Kopp. Weitere Prüfungen fänden nicht statt, obwohl „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ zumindest einige der Flüchtlinge einen Asylanspruch gehabt hätten.

Die Flüchtlingsorganisation hofft deshalb weiter auf ein „klares Wort“ der Koalition zu dem italienisch-libyschen Abschiebemodell. Berlin müsse dem EU-Partner unmissverständlich klar machen: „Es gibt Mindeststandards, die darfst du nicht unterschreiten.“ AGX