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Archiv-Artikel

Klare Strukturen

Fünf Fragen zur künftigen Kompetenzaufteilung in der EU

taz: Herr Wenning, die deutschen Bundesländer sind in den Konvent mit der Hoffnung gegangen, Zuständigkeiten von der Brüsseler auf die nationale Ebene zurückzuholen. Waren Erwin Teufel & Co erfolgreich?

Christian Wenning: Das Trommeln hat geholfen. Die Subsidiarität ist wieder ein Thema der EU geworden. Die Regionen werden wieder stärker berücksichtigt. Der Verfassung wird ein Protokoll über die Rolle der nationalen Parlamente angehängt. Das Wichtigste ist jedoch die Kompetenzabgrenzung zwischen Brüssel und den Nationalstaaten. Dafür gibt es hoffentlich bald klare Regelungen.

In Zukunft soll es ein Frühwarnsystem geben: Nationale Parlamente müssen über Gesetzespläne der Kommission zeitig informiert werden und können ihren Protest einlegen.

Grundsätzlich ist das eine gute Sache. Die Frage ist jedoch, ob die Parlamente das Recht erhalten werden, die Kommission zu zwingen, eine Richtlinie nicht umzusetzen, wenn sie dem Grundsatz der Subsidiarität widerspricht. Oder ob das dann doch wieder Sache der Regierungen ist. Für die JEF als Befürworter einer starken, demokratischen EU ist die neue Regel aber auch ein Problem. Wir würden natürlich lieber die Rechte des Europaparlaments erweitern. Da das in dem von uns gewünschten Umfang nicht möglich ist, akzeptieren wir die Stärkung der nationalen Parlamente.

Konventspräsident Giscard d’Estaing fordert einen regelmäßig tagenden Kongress aus nationalen Parlamenten und dem Europaparlament.

Den Kongress lehnen wir ab. Denn was soll seine Aufgabe sein? Laut Giscard soll er zur Schaffung einer europäischen Diskussion beitragen. Doch dafür gibt es bereits die existierenden Institutionen. Ein Kongress ist weder für die Demokratie noch für das Funktionieren der EU notwendig. Richtig ist allein die Überlegung, die nationalen Parlamente stärker in europäische Entscheidungen miteinzubeziehen. Dafür ist in erster Linie ein schnellerer Informationsaustausch zwischen Brüssel und den Nationalstaaten nötig. Doch das ist lösbar. So könnte die Kommission die Parlamente direkt und nicht über den Umweg der Regierungen informieren.

Sollte es eine Instanz zur Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips geben?

Ich ahne, dass die nationalen Parlamente über ihre neuen Rechte schon bald stöhnen werden. Wenn sie jedes Vorhaben der Kommission prüfen wollen, ob es gegen die Kompetenzaufteilung verstößt, brauchen sie jede Menge neuer Mitarbeiter. Da wird ein Wust neuer Bürokratie entstehen, und die Entscheidungsfindung in der EU wird dadurch sicher nicht einfacher.

Was erwartet die JEF vom Konvent?

Wir erwarten eine Verfassung, die die europäische Ebene und nicht die Nationalstaaten stärkt. Auch wenn vieles heute noch nicht möglich ist – wie etwa eine Europäische Armee –, so soll in der Verfassung zumindest die Vision deutlich werden. Und wir wollen, dass mit der Verfassung der Bürger etwas in die Hand bekommt, was er auch tatsächlich versteht. Er muss wissen, welche Instanz für welche Entscheidung zuständig und damit auch verantwortlich ist. Nur dann sind wir bereit, bei der Unterzeichnung der Verfassung in Rom die EU-Fahne zu schwenken. INTERVIEW: SABINE HERRE