Klage wegen Loveparade: Kein Anspruch auf Entschädigung
Sein Einsatz bei der Loveparade sei „wie im Krieg“ gewesen, sagt ein Feuerwehrmann. Er sei traumatisiert und könne nicht mehr arbeiten.
90.000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld will der bei der Loveparade-Tragödie als Retter eingesetzte 53-jährige S. erstreiten – doch die Hoffnung auf das Geld muss er nun wohl begraben, zumindest in der ersten Gerichtsinstanz.
Ralf S. ist einer von derzeit 19 Menschen, die bislang wegen der Loveparade-Tragödie mit 21 Toten vor gut fünf Jahren Zivilklagen bei dem Duisburger Gericht eingereicht haben. Die Kläger machen geltend, dass sie durch ihre Erlebnisse bei der Techno-Parade am 24. Juli 2010 traumatisiert wurden und noch heute an den Folgen leiden. S. fordert Geld von der Loveparade-Veranstalterfirma Lopavent, deren Geschäftsführer Rainer Schaller und dem Land Nordrhein-Westfalen – aus Sicht des Landgerichts wohl zu Unrecht, wie der Vorsitzende Richter am Dienstag deutlich macht.
Ein Beobachter des tödlichen Gedränges auf der Loveparade habe als womöglich „mittelbar Geschädigter“ keinen Schadenersatzanspruch, legt Ulrich die vorläufige Auffassung des Gerichts dar. Nach gängiger Rechtsprechung sei die posttraumatische Belastungsstörung, unter der S. nach eigenen Angaben leidet, „nicht einem Fehlverhalten der Beklagten zuzurechnen“ – sondern im vorliegenden Fall dem „typischen Berufsrisiko“ eines Feuerwehrmannes. Letztlich sei die psychische Erkrankung des 53-Jährigen dessen „eigener Berufswahl“ zuzuschreiben.
„Was auf der Loveparade passiert ist, war tragisch“
Diese klaren Worte des Richters will S. in der mündlichen Verhandlung nicht unwidersprochen lassen. „Mir ist mein Berufsrisiko sehr bewusst“, sagt der Duisburger an den Richter gewandt. Er sei zwar kein Jurist, aber solche Gesetze könne er nicht verstehen, fügt der 53-Jährige hinzu. Schließlich sei er am Tag der Tragödie in eine Veranstaltung hinein geschickt worden, „in der es zu Toten und Verletzten kommen musste“.
Der Vorsitzende Richter zeigt zwar Verständnis für die tiefe Enttäuschung des Ex-Feuerwehrmannes. Dessen Erkrankung nach dem Loveparade-Einsatz sei „sehr tragisch“, sagt Ulrich. „Was auf der Loveparade passiert ist, war auch sehr tragisch.“
Aber dann fügt der Zivilrichter hinzu: „Wir sind nicht berufen, uns mit strafrechtlicher Verantwortung zu befassen.“ Dieser Satz könnte auch an die Öffentlichkeit gerichtet sein. Denn viele hatten im Vorfeld des ersten Loveparade-Zivilprozesses ein juristisches Spektakel erwartet, bei dem endlich die Schuldigen an dem Desaster vor fünf Jahren benannt werden.
Hoffnung auf ein Minimum gesunken
Dabei könnte letztlich nur ein Strafprozess die wahren Hintergründe der Katastrophe aufklären – und ein solches Strafverfahren ist immer noch nicht in Sicht. Zwar erhob die Staatsanwaltschaft im Februar 2014 Anklage gegen sechs Bedienstete der Stadt Duisburg und vier Lopavent-Mitarbeiter. Die Entscheidung des Duisburger Landgerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens steht aber noch aus. Sollte es einen Strafprozess geben, wird er wohl frühestens im Frühjahr 2016 beginnen können.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war die Loveparade in Duisburg völlig falsch geplant und hätte nie genehmigt werden dürfen. Nicht ermittelt wurde in dieser Frage gegen Lopavent-Geschäftsführer Schaller und Duisburgs früheren Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU), der die politische Verantwortung für die Loveparade-Katastrophe nicht übernehmen wollte und im Februar 2012 abgewählt wurde.
„Wir müssen im Zivilprozess nicht aufklären, wie es zu der Katastrophe kommen konnte“, bekräftigt Richter Ulrich am Dienstag in der mündlichen Verhandlung. Für den Ex-Feuerwehrmann S. bedeutet dies: Seine Hoffnung auf ein positives Urteil am 5. Oktober ist zunächst auf ein Minimum gesunken.
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