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Klage gegen den Fiskalpakt„Wir wollen ein besseres Europa“

Eine Volksabstimmung über den Fiskalpakt fordert Exjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Erst einmal zieht sie aber vor das Verfassungsgericht.

Wird gegen den Fiskalpakt klagen: Herta Däubler-Gmelin. Bild: dpa
Hannes Koch
Interview von Hannes Koch

taz: Sie bereiten eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Europäischen Fiskalpakt und den permanenten Rettungsschirm vor. Mit diesen Verträgen verabreden die Eurostaaten, ihre Staatshaushalte zu sanieren und einen Notgroschen zurückzulegen. Was ist daran falsch?

Herta Däubler-Gmelin: Wenn es nur so harmlos wäre, wie Sie es beschreiben! In Wirklichkeit geschieht etwas ganz anderes. Der Fiskalpakt und der neue Rettungsschirm ESM werden in völkerrechtliche Verträge gegossen, die nicht kündbar sind. Beide Verträge verändern die Haushaltsbefugnisse des Deutschen Bundestags gravierend.

Die Bürgerinnen und Bürger, deren Verfassungsbeschwerde Professor Degenhart und ich vertreten, argumentieren deshalb: Unser Recht, einen Bundestag zu wählen, der auch etwas zu sagen hat, wird massiv beeinträchtigt.

Geht es Ihnen um die Zustimmung der Bürger, oder finden Sie, dass Europa zu stark wird?

Wir sind sehr für Europa. Allerdings für eines, das rechtsstaatlich und demokratisch ist. Wir wollen ein besseres Europa. Wir sind nicht für ein Europa, in dem lediglich Regierungen, Eurokraten und Banken bestimmen.

Herta Däubler-Gmelin

68, war von 1998 bis 2002 Justizministerin. Heute arbeitet die Sozialdemokratin als Anwältin und Rechtsprofessorin. Zusammen mit Mehr Demokratie e. V. will sie Verfassungsbeschwerde gegen ESM und Fiskalpakt einlegen. Mehr als 15.000 Bürger haben sich bereits angeschlossen.

Deswegen sagen wir mit dem Bundesverfassungsgericht, dass jeder Hoheitstransfer in kritischen Kernbereichen unseres Gemeinwesens der Zustimmung der Bürger bedarf. Außerdem sollte man die Kompetenzen, die den nationalen Parlamenten entzogen werden, beim Europäischen Parlament ansiedeln.

Sie sagen, der Rettungsschirm ESM und der Fiskalpakt seien nicht mehr kündbar. Wenn aber der Bundestag einen solchen Vertrag ändern wollte, könnte er es. Sind seine Rechte damit nicht gewahrt?

Nein, einseitig kann der Bundestag das nicht. Unsere Verfassung setzt jedoch voraus, dass der Bundestag selbstständig handeln kann, ohne von der Zustimmung anderer Regierungen abhängig zu sein. Ein Beispiel: Bundestag und Bundesrat haben gemeinsam mit Zweidrittelmehrheit die Schuldenbremse in die Verfassung geschrieben.

Sollte der Fiskalpakt nun völkerrechtlich verbindlich werden, kann der deutsche Gesetzgeber die deutsche Schuldenbremse nicht mehr ändern. Er muss stattdessen übernehmen, was im Fiskalvertrag steht. Und genau das beeinträchtigt die Rechte des Bundestages. Der Bundestag hätte in einem Zentralbereich keine eigene Entscheidungsbefugnis mehr. Er könnte nur noch als Bittsteller gegenüber anderen Regierungen auftreten.

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10 Kommentare

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  • G
    gustav

    Es ist immer erstaunlich, wie sich die Mehrheit der

    Deutschen durch die Säuselei politischer "Visionen"

    sich ihren Staat demontieren lassen, sich ihr

    Vermögen nehmen lassen, sich ihr Wahlrecht verwässern

    lassen, sich gute Lebensbedingungen für ihre Kinder

    und sich selber entreißen lassen und sich ein

    feiges aus- der- Verantwortung- stehlen der Politik

    der deutschen Parteien gefallen lassen,

    nur um eine aberwitzige Finanzstabilität von Finanzeliten mit eigener Finanzvermehrungsgesetzgebung

    zu garantieren, die nicht selbst Verzicht üben kann,

    sondern maßlos den Reichtumsanteil der Gesamtbevölkerung wegzufressen versucht und wenn

    es zu neuen Notstandsregimen käme- Wurscht!!!!!!!

     

    Wir brauchen neue Parteien aus dem Volke heraus

    mit Leuten die sozial und wirtschaftlich Kompetenz

    und Anstand bewiesen haben, als Führungspersonen,

    die bevor Sie sich umdrehen lassen, wie Fischer oder

    Trittin und Kynast, bei Verstoß gegen die Grundsätze

    der Partei nach entfernt werden können, sobald

    die Grundsätze der ökologischen, ökonomischen,

    selbstbestimmungsmäßigen, sozialen, gesundheitlichen, sicherheitspolitischen Wertmaximierung zu Gunsten des deutschen Volkes

    verletzt werden!

     

    Süchtigen gibt man beim Begehr nach noch mehr

    Schulden nicht nach!! Man reicht Ihnen keinen

    zusätzlichen Alkohol oder Drogen und gibt auch

    nicht sein letztes Geld denen her!!!!

    Diese Schuldenallianz mit der Gesamt-EU ist

    ist auch ein Frevel an Spanien und Italien,

    denn Sie stützt die falschen Eliten, die eigentlich

    hinweggefegt gehören!

  • I
    ingild

    Ja klar, wenn´s nicht anders geht! Der Fiskalpakt zwingt Deutschland sein Handeln auf. Deutschland wird sich noch weiter veschulden - diesmal sanktioniert von allen "Unterschreibern". Es ist zu hoffen, dass Frau Däubler-Gmelin Erfolg hat; ich würde glatt mit vors Verfassungsgricht ziehen - obwohl ich alles andere als FDP bin.

  • OP
    Otto Pardey

    Genau,ihr wollt ein Europa der Polit-Mafia,

    ich wuensche viel Spass bei dem Schwachsinn!

  • V
    Verlogen

    Herta Däubler-Gmelin soll wie alle Politiker entweder Volksabstimmungen als generelles Mittel oder gar nicht fordern. Wenn sie glauben zu gewinnen werden alle plötzlich große Demokraten, was dann aber abrupt abbricht wenn ihre Minderheitenpositionen gefährdet sind. Nach der Abstimmung zu Minaretten in der Schweiz, bei der das Volk anders entschied als alle Parteien und aller Medien, brach in ganz Europa Panik im Lager der politisch Korrekten aus. Demokratie bei Bahnhöfen oder wo es sonst so passt. Mehr bitte nicht. Rot-Grün hätte ja die Schwulenehe oder die "Öko"-Steuer demokratisch abstimmen lassen können. Afghanistan-Krieg? Jugoslavienkrieg? Nein? Wo war da Frau Herta Däubler-Gmelin denn so? Nichts von ihr gehört. Entweder echte Demokratie zu allen Themen, verbindlich vor jeder Wahl oder weiter schmierige Lobbyarbeit für wen auch immer. Leute wie Gelegenheitsdemokratin Däubler-Gmelin sind ja wohl das Widerlichste überhaupt. Genauso korrupt und verlogen wie andere, aber mit der Moral/Demokratiefahne in der Hand. Pfui Deibel. Ohne solche leute gäbe es den Euro nicht und wäre uns Griechenlands Pleite egal. Die Griechen bekamen den euro übrigens gegen alle Expertenratrschläge von Rot-Grün. Da war Herta Däubler-Gmelin Ministerin. Jetzt machen die Böcke den Gärtner.

  • S
    sigibold

    Ich will hier gar nicht viel selbst debattieren. Nur so viel. Ich stehe in der Frage des Fiskalpaktes und den dazu zu beschließenden Verfassungsänderungen voll und ganz hinter der Meinung von Frau Däubler-Gmelin. Wenn wir ein vereintes Europa bekommen, können wir Rechte abgeben. Vorher nicht!

    Man zieht sich nicht aus bevor man zu Bett geht!!

  • S
    spiritofbee

    Frau Herta Däubler-Gmelin ist, wie mir scheint, voreingenommen. Sie beruft sich sich auf eine Verfassung. Als ehemalige Justizministerin und auch als Anwältin stellt sie hier etwas ganz offensichtlich bewußt falsch dar. Mensch kann es gar nicht oft genug wiederholen. Das deutsche Volk besitzt keine Verfassung.

     

    Siehe Art. 146 GG.

     

    Sollen hier die Teile der kritischen Bevölkerung, die sich der Klage angeschlossen haben, etwa hinter das Licht geführt werden?

  • I
    Igel107

    Ich bin schon erstaunt mit welch Selbstverständlichkeit hier von einer Verfassung geredet wird. Deutschland hat keine Verfassung , ersichtlich im Artikel 146 des Grundgesetzes, diese sollte erst einmal per Volksabstimmung geschaffen werden.

    Dann und erst dann kann man in den Größenordnungen Denken wie sie hier propagiert werden.

    Ein Grundgesetz ist eben keine Verfassung denn sonst würde es auch so genannt werden.

  • WM
    Wilfried Müller

    Da wird der Fiskalpakt von der Opposition (SPD und Grüne)in der vorliegenden Form gebilligt, weil man von der Regierung die Zusicherung bekommen hat, sie werde sich bemühen. Lesen müsste man können und vielleicht auch die Logik nicht ganz abschalten. Da stärkt das BVG die Stellung des Parlaments und als Reaktion dieser scheinheiligen Opposition von SPD und Grünen auf die festzuschreibenden Einschränkungen des Parlaments durch den Fiskalpakt heißt es fröhlich und unbelehrbar: wir wollen weniger Demokratie wagen. Bleibt nur zu hoffen, dass das BVG dem Parlament diese Unverantwortlichkeit nicht durchgehen lässt und sich wiederum als letztes Bollwerk für die parlamentarische Demokratie bewährt.

  • K
    kleinSparer

    Wird der Ausstieg aus dem EURO den Griechen so völkerrechtlich verboten, hinfällig nur bei offiziell erklärter Staatspleite?

  • DR
    Demokratie retten

    Wer die Verfassungsbeschwerde unterstützen möchte - es geht um den Bestand unserer Demokratie!

     

    http://www.verfassungsbeschwerde.eu/