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Archiv-Artikel

Kitas auf den Hund gekommen

Erste Klagen auf Kita-Gutscheine eingereicht. Die Stadt ist verpflichtet, den Bedarf zu decken, sagen Juristen. Gang zum Gericht ist auch ohne Ablehnungsbescheid möglich. Und Kita-Senator Rudolf Lange gibt Tipps, die Eltern teuer zu stehen kommen

von KAIJA KUTTER

Der Jura-Professor Christian Bernzen hat gestern beim Hamburger Verwaltungsgericht einen Eilantrag auf Ausstellung eines Kita-Gutscheins gestellt. Seine Mandanten hatten ihr Kind bis zum 3. Geburtstag von einer Tagesmutter betreuen lassen und bekommen nun keinen Kita-Platz, weil sie als „Erstantragssteller“ gelten. Bernzen sieht hier eine Ungleichbehandlung gegenüber Eltern, die ihr Kind in einer Krippe betreuen ließen und es problemlos in den Altersbereich der 3- bis 6-Jährigen überwechseln lassen können.

Auch bei seinen übrigen Mandanten handle es sich um Eltern, bei denen es „fraglich“ sei, ob sie auf die Warteliste gehören, sagt Bernzen: „Leute, die zum 1. Juli formal einen Antrag stellten, werden anders behandelt als jene, die dies zum 1. August tun.“ Erstere rutschen als „Altfälle“ ins System, Letztere nicht.

Der Experte für Jugendhilferecht hält das gesamte Kita-Gutscheinsystem für fehlerhaft und unterfinanziert. Die Stadt sei durch §24 Sozialgesetzbuch VIII verpflichtet, ein „bedarfsgerechtes Angebot“ an Kindertagesbetreuung zu organisieren. Die Bildungsbehörde habe sich hier „selbst eine Falle gestellt“, weil sie den Bedarf der auf Warteliste aufgelaufenen 3.900 berufstätigen Eltern anerkenne, ihn aber nicht befriedigen könne. Bernzen: „Das Argument, es gibt kein Geld, zählt nicht. Zur Not muss man die Hundesteuer erhöhen.“

Zum direkten Gang zum Verwaltungsgericht rät auch der Elternverein FamilienPower. Einen Eilantrag könnten Eltern auch ohne Ablehnungsbescheid oder das Abwarten von Widerspruchsfristen stellen. „Wenn sie einen Antrag für den Kita-Gutschein stellen und die Behörde reagiert nicht, können sie nach Paragraph 75 VWGO wegen Untätigkeit klagen“, erklärt Rechtsanwalt Matthias Lübbert, der derzeit Fälle für eine größere Klage sammelt. Die Gerichte könnten dann vorläufig die Aushändigung eines Gutscheins anordnen.

Unterdessen hat die Bildungsbehörde eingeräumt, dass in Eimsbüttel und Harburg noch „hunderte Eltern“ auf bereits bewilligte Gutscheine warten. Diese Kunde ist zwei Wochen vor dem geplanten Systemstart auch für Kita-Träger beunruhigend. Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) appellierte an Eltern und Bezirke, „besser zusammenzu arbeiten“, dann „klappt die Umstellung reibungsloser“.

Etwas riskant ist jedoch sein Tipp, auch ohne Gutschein Betreuungsverträge abzuschließen: „Eltern mit einem Rechtsanspruch auf einen Platz (für Kinder im Alter von 3 - 6 Jahren) können diesen in jedem Fall einlösen und bekommen garantiert einen Gutschein“, heißt es in einer Pressemitteilung. Hier fehlt der Hinweis, dass diese Garantie nur für vier Stunden gilt. Jede Stunde, die Eltern darüber vertraglich vereinbaren, wird ohne Gutschein richtig teuer.