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Kita-Löhne bleiben aus

■ Immense Mieterhöhungen, ausbleibende Unterstützung der Stadt: Kreuzberger Kindertagesstätten kämpfen ums Überleben

Kreuzberg. Für den Kinderladen »Kleine Sonnenstrahlen« in Kreuzberg geht wohl bald die Sonne unter. Die auf ErzieherInneninitiative gegründete Kindertagesstätte bietet für 15 Kinder aus sozial schwachen Familien Betreuung in einem gut ausgestatteten Haus mit Garten und sogar einem Teich. Mittlerweile steht der Laden mit über 2.000 Mark in der Kreide. »Seit zwei Monaten können wir uns als MitarbeiterInnen keine Gehälter mehr auszahlen«, berichtete die Mitinitiatorin Ehrlichmann. Ende des Jahres läuft der Mietvertrag aus, und die beabsichtigte Umwandlung in Gewerberäume wird die Miete kräftig in die Höhe treiben. Die Nebenkosten sind schon jetzt gestiegen.

Könnte die Kindergruppe vergrößert werden, verringerten sich die Probleme. Denn mit dieser Maßnahme würde sich das Platzgeld erhöhen, mit dem der Senat Eltern- und Initiativ-Kindertagesstätten bisher zu zwei Dritteln finanziert. Darauf hatte der Laden auch gesetzt. Doch seit dem Beschluß von Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) im Dezember, weder Neugründungen noch Erweiterungen von EKTs zuzulassen, hängt die Finanzierung und damit die Existenz der Einrichtung in der Luft.

»Kleine Sonnenstrahlen« ist kein Einzelfall. Zahlreiche der Kreuzberger EKTs, die über 20 Prozent der Kitaplätze des Bezirkes anbieten, sind von der Schließung bedroht. Die Mieten sind in den letzten Monaten um bis zu 500 Prozent gestiegen, was oft schon allein einer Schließung gleichkommt. Durch die letzten Tarifabkommen erhöhen sich auch die Lohnkosten, so daß in immer mehr Projekten kurzgearbeitet werden muß oder die Gehälter nicht oder nicht in voller Höhe ausgezahlt werden können.

Kurzfristig hat der Senat nun auch noch die Gesamtmittel für die EKT- Beratung gestrichen. »Wir bekamen einen ganz kaltschnäuzigen Brief, in dem uns ohne weitere Angabe von Gründen mitgeteilt wurde, daß unsere Arbeit zum 30.6.91 beendet sei«, erzählt Hildegard Hofmann, die in der Regionalen Beratungsstelle für Kinder- und Schülerläden tätig ist. Letztes Jahr noch hatte der Senat die Beratung von EKTs für sehr notwendig erachtet und vier Beratungsstellen eingerichtet.

Der Kreuzberger Jugendhilfeausschuß hat nun beschlossen, sich beim Bezirksamt und bei der Abgeordnetenversammlung für den Erhalt der EKTs einzusetzen. Er beantragt daher, die Zuwendungen an diese Kindertagesstätten gemäß den neuen Tarifen zu erhöhen, Platzerweiterungen wieder zuzulassen und zu finanzieren, Wohnungsbaugesellschaften zur Vergabe von Räumlichkeiten an EKTs zu bewegen und die Mittel für die Beratungsstellen weiterhin zur Verfügung zu stellen. Diese Initiative kommt noch rechtzeitig vor den Verhandlungen über den Berliner Nachtragshaushalt, hofft man in Kreuzberg. Nach Aussagen von Stadtrat Helmut Borchert (SPD) ist hier nicht nur der Senator für Jugend und Familie gefragt. Borchert geht es um die stadtpolitische Entscheidung, »welche Rolle das Kind und die Betreuung von Kindern in der Politik dieser Stadt weiterhin spielen soll.« Corinna Raupach

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