Kita-Finanzierung in Bremen: Gutschein oder schlecht sein
Freie Träger fordern, Bremens Kita-Finanzierung nach Hamburger Vorbild neu zu ordnen – mit Platzpauschalen und Träger-Autonomie anstelle zentralistischer Struktur.
Denn das Bremer System sei schwerfällig und ineffizient: Um eine bedarfsgerechte und flexible Versorgung sicherzustellen, sei es sinnvoll, auf „eine stärkere Autonomie der Träger“ zu setzen. „Die Forderung ist nicht neu“, stellte Schlepper klar, „und es gibt in Hamburg, Berlin aber auch Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, fast überall, gute Beispiele dafür, dass es so besser funktioniert, als hier in Bremen.“
Tatsächlich hält sich die Forderung nach einem anderen Verwaltungssystem für die Kita-Versorgung schon seit Jahren in Bremen: Schlepper und Knigge hatten sie schon vor vier Jahren erhoben, nachdem sich zeigte, dass infolge eines Gutscheinsystems Hamburg den plötzlichen Anstieg der Bedarfe ab 2012 locker in den Griff bekommen hatte, während Bremen exemplarisch im Chaos versank.
Letztlich bedeutet das Hamburger Modell, den Durchschnittspreis für einen Kita-Platz zu ermitteln und die individuelleren Bedürfnisse der Kinder, die auf eine Versorgung ab dem ersten Geburtstag einen Rechtsanspruch haben, auch in Pauschalen zu übersetzen.
Arnold Knigge, Staatsrat a. D.
Das Bedürfnis, die Sprachentwicklung zu fördern, aber auch zusätzliche Leistungen, mit denen Härten auszugleichen sind, die beim Aufwachsen in benachteiligten Stadtteilen entstehen können, lassen sich so besser managen. „Dabei ist egal, ob das in einem Zuwendungssystem oder in einem Entgeltsystem geschieht“, sagt Schlepper. Entscheidend ist die Verschlankung des Verwaltungsaufwands.
Im Wahlkampf 2015 hatte die Forderung nach einer veränderten Kita-Finanzierung einen Auftritt im CDU-Wahlprogramm. Im Sommer 2016 war es dann Matthias Güldner (Grüne), der ein großes Hearing in der Kinder- und Bildungsdeputation veranstaltete, bei dem Expert*innen aus Hamburg und Berlin erläuterten, dass ein Creming-Effekt – also der Betrieb von Absahner-Kitas in Stadtteilen mit höherem Durschnitts-Brutto – nicht beobachtet wurde, dass die Qualität nicht leidet und auch Eltern-Ini-Kitas im Gutschein-Modell überleben können. „Wir wollen uns auch nicht aus der politischen Steuerung befreien“, versichert Knigge. „Wir wollen, dass die Leitplanung politisch und von der Senatorin vorgegeben wird.“
Trotzdem: Eine parlamentarische Mehrheit hat sich bislang nicht für den Systemwechsel gefunden. Und auch der Senat fühlt sich sicherer mit dem vertrauten zentralistischen Ansatz. Der sieht vor, dass die Einrichtungen ihre Bedarfe in mindestens zwei Anträgen jeweils zum Anfang und Ende des Kita-Jahres glaubhaft machen und für jedes weitere Leistungsmodul über gesonderte Formulare separat vorstellig werden müssen.
Kollabierende Verwaltung
„Da werden Kräfte gebunden, um dieses System zu fahren und zu führen, die anderweitig besser eingesetzt wären“, findet Schlepper. „Und wenn wir sagen, das bringt uns ans Limit“, ergänzt Knigge, „dann gilt das für unser Gegenüber erst recht.“
Wohl wahr: Denn nachdem 2016 im hohen, 2017 im niedrigen dreistelligen Bereich Kita-Plätze gefehlt hatten, klaffte diesen Sommer zwar keine Versorgungslücke, dafür aber kollabierte die Verwaltung: Mehr als 3.000 Elternanträge fürs neue Kita-Jahr waren Mitte August noch unbearbeitet. Gut 2.000 Altfälle warteten auf Erledigung. Die Senatorin appellierte an ihre Untergebenen, Verwandte zur Mitarbeit zu animieren.
Im Wahlkampf wird das Thema eine Rolle spielen: CDU und FDP hatten Anfang des Jahres den Einstieg ins Gutschein-System gefordert, der Grünen Wahlprogramm-Entwurf spricht sich sehr entschieden dafür aus, das erfolgreiche Modell der anderen Stadtstaaten zu kopieren, während Die Linke in ihrem Programm vor einer „Kommerzialisierung der Kita-Landschaft“ warnt. Man wolle „in alle Parteien hineinwirken“, kündigte Knigge an, „und für unser Anliegen werben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!