Kirchliche Einrichtung in Serbien: Mit Knüppel gegen Drogenkranke
In einer kirchlichen Einrichtung für Drogenentzug in Serbien werden die Patienten brutal zusammenschlagen. Gegen den gewalttätigen Oberhirten läuft ein Disziplinarverfahren.
BELGRAD taz | Ein ganz in Weiß gekleideter Mann bückt sich über einen Tisch. Ein anderer in T-Shirt und Shorts nimmt eine Schaufel und haut mit voller Wucht auf den Hintern des Liegenden. Dieser stöhnt und schreit, sein Körper zuckt bei jedem Schlag zusammen. Nach zehn Hieben mit der Schaufel wird die Tortur fortgesetzt. Der Boxer schlägt sein Opfer mit offener Hand ins Gesicht. Dann kommt er richtig in Fahrt, mit Fäusten, Ellbogen und mit Knien bearbeitet er systematisch und gekonnt den Kopf des armen Menschen, bis dieser nicht mehr stehen kann. Ein dritter Mann hebt ihn auf und drückt ihn an die Wand. Die Bestrafung geht weiter, bis der Mann in Weiß ohnmächtig auf den Boden fällt. Im Hintergrund sieht man Ikonen von serbisch-orthodoxen Heiligen, von Jesus und Maria.
Die mit einer Handykamera aufgenommene Szene ereignete sich in dem "Geistlichen Rehabilitationszentrum" für Drogensüchtige auf dem Gelände des serbisch-orthodoxen Klosters Crna Reka (Schwarzer Fluss) in der Nähe der serbischen Stadt Novi Pazar. Das Magazin Vreme stellte das Video auf seine Internetseite www.vreme.com und erregte riesiges Aufsehen in Serbien.
Es stellte sich heraus, dass das sadistische Doktor-Patienten-Spiel zu den gebräuchlichen Behandlungsmethoden dieser christlichen Institution gehört. Alles im Sinne des serbischen Sprichworts: "Der Knüppel ist aus dem Paradies gekommen." Der Leiter des "geistlichen" Zentrums, Pfarrer Branislav Peranovic, versuchte gar nicht zu dementieren. Ja, die Szenen im Video seien hart und er werde in diesem konkreten Fall nach dem Rechten schauen. Doch die Junkies bräuchten eben harte Disziplin und die Anwendung von Gewalt sei ab und zu notwendig.
Alle Schützlinge der Heilanstalt und ihre Eltern müssten einen Vertrag unterzeichnen, in dem sie sich mit den Methoden des Pfarrers einverstanden erklären. Darin steht allerdings nichts von Prügel mit Schaufeln, Ketten, Eisenstangen, wovon andere Zeugen berichteten.
Vater Branislav sprach im Belgrader TV-Sender B92 kühl von den "armen Eltern der Junkies", die von ihren Kindern schikaniert würden, und von den Drogensüchtigen, als ob sie vom Teufel besessen wären. Er rühmte sich, dass über tausend Patienten seit 2005 "mit großem Erfolg" im Rehabilitationszentrum behandeln worden seien. Der Pfarrer wurde vor dem Fernsehstudio in Belgrad von Mitgliedern rechtsnationalistischer Organisationen und einigen ehemaligen Patienten und ihren Eltern mit Ovationen begrüßt.
Der Staat reagierte prompt. Das Gesundheitsministerium entsandte eine Kommission in das Rehabilitationszentrum. Obwohl der gelernte Landwirt, Vater Branislav, als "Oberarzt" zuständig für die Therapie der "Patienten" ist, fand die Kommission kein Material für eine Strafanzeige. Obwohl die Eltern der Drogensüchtigen rund 300 Euro - in etwa ein monatliches Durchschnittseinkommen in Serbien - dem Pfarrer meist bar zahlten, kann er auch wegen Steuerhinterziehung nicht angeklagt werden. Das Zentrum arbeitet auf der Grundlage des Gesetzes über Glaubensgemeinden als humanitäre Organisation. Formal wird es durch Beiträge finanziert und es brauchte keine Genehmigung vom Gesundheitsministerium.
Als am Dienstag noch ein Video auftauchte, das zeigt, wie Vater Branislav persönlich einen Patienten mit einer Schaufel verprügelt, enthob ihn der zuständige Erzbischof des Amtes und leitete ein kirchliches Disziplinarverfahren eine.
Das Zentrum existiert seit vier Jahren. Zwar kamen alle Patienten freiwillig dorthin, doch dann sorgten Wachpersonal und ein halbes Dutzend Kampfhunde dafür, dass sie nicht mehr rauskommen und ihre Eltern für die Behandlung weiterzahlen. Dragan Pantic, der den verprügelten Mann auf dem Video als seinen Sohn identifizierte, will Anklage erheben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?