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Kinotips

Herbst 1977: Sympathisantenhetze, Stammheim, die Frage, ob Selbstmord oder nicht. Inzwischen sind 17 Jahre vergangen. Die Zeiten sind längst nicht mehr bleiern. Und das Jahr 1989 hat mit der deutschen Einheit das Jahr 1977 als zentralen Bezugspunkt der politischen Debatten längst abgelöst. Historisch geworden ist mittlerweile auch der Versuch der damals führenden deutschen Filmemacher, die Ereignisse in, um und um die RAF herum filmisch aufzuarbeiten. Deutschland im Herbst von Kluge, Schlöndorff, Faßbinder, Reitz und Co. läßt sich nur noch mit einem ganz fremden Blick ansehen. Aber dieser Blick lohnt sich wieder. Gerade seine Ungereimtheiten, Peinlichkeiten und Schwächen machen diesen Film zu einem historischen Dokument. Und Faßbinders Beitrag, der die politische Agonie in eine radikale persönliche Selbstent-blößung übersetzt, ist natürlich längst ein Klassiker.

Bis Sonntag, Fama, 23 Uhr

Seit 1991 gibt es in Brasilien das Festival do minuto. Einzige Bedingung für die eingereichten Filme: Sie dürfen nicht länger als eine Minute sein. Das bedeutet Schwerarbeit für den Vorführer und für die Zuschauer Abwechslung im 60-Sekunden-Takt. Die Filme des vergangenen Jahres werden jetzt zum ersten Mal in Deutschland gezeigt. Schneller sehen! MTV ist da gar nichts gegen!

Freitag und Samstag, Lichtmeß, 21 Uhr

John Wayne, Ava Gardner und Tyrone Power sollten die Hauptrollen übernehmen. Samuel Fuller sollte Regie führen. Und spielen sollte der Abenteuerfilm Tigrero 1954 in den tropischen Regenwäldern Brasiliens. Doch die Versicherung entschied: Wirkliche Stars sind nichts für den wirklichen Dschungel. Schließlich könnte denen dort wirklich etwas passieren. So stand der Produzent Darryll Zanuck ohne Absicherung da und kippte kurzerhand das Projekt. An diese Geschichte hat sich Mika Kaurismäki mit seinem Film Tigrero - A Film That Was Never Made erinnert. Er konnte auf Original-Probeaufnahmen zurückgreifen. Und er nutzt die Gelegenheit zu einem Porträt des Hinterbliebenen aus Hollywoods glorreichster Zeit: Kein Geringerer als Jim Jarmusch begleitet Sam Fuller bei seiner Rückkehr in das Gebiet der brasilianischen Karajá-Indianer und befragt ihn nicht nur nach der Geschichte dieses unrealisierten Films.

3001 Kino, 20.30 Uhr

Eigentlich wollte der in den Niederlanden geborene Filmemacher Rolf de Heer einen Film über Serienkiller machen. Das Projekt schlug fehl. Aber die Vorarbeiten vermittelten de Heer doch eine Erkenntnis: daß den meisten dieser Verbrecher ihre Kindheit entzogen wurde. Also machte er einen Film über einen Mann mit der schwersten aller Kindheiten, der zum Mörder an seinen Eltern wird. Bad Boy Bubby ist eine Kasper-Hauser-Geschichte und ein Film über das Chaos und die Schönheit der Welt.

Abaton, 23 Uhr

Im überregionalen Teil werden besprochen:

König der Löwen (City, Gloria, Grindel, Hansa, Kino-Center, Movie, Mundsburg, Palette, Passage, Oase, Ufa);

Priscilla – Königin der Wüste (Abaton, Neues Cinema, Zeise)

und aus irgendeinem Grund sogar Willy Bogners bestimmt profundes Werk White Magic(Ufa, Kino-Center).

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