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Kinofilm "This is Love"Das Verhängnis genießen

Kneipe, saufen, vergessen und singen: Alles scheint verschleiert in Matthias Glasners, dem Tragischen verfallenen, Film "This is Love".

Chris und Jenjira bilden ein Paar am Rande eines Tabus. Bild: kinowelt

Normalerweise sieht der Feierabend von Maggie so aus: Sie geht in eine Kneipe, stellt sich an eine Bar, bestellt etwas Hartes, und dann trinkt sie so lange weiter, bis sie in einem Kreis von Besoffenen sitzt und "God help me please" grölt. Natürlich glaubt sie an keinen Gott, das wäre ja noch schöner bei dem Leben, das sie hat. Maggie ist bei der Polizei, sie tritt dort täglich zum Dienst an, aber eigentlich ist sie mit allem fertig, seit ihr Mann vor vielen Jahren eines Tages einfach verschwunden ist. Warum? Davon hat sie keine Ahnung in dem Moment, in dem Matthias Glasners Film "This is Love" beginnt. Sie wird den Grund erfahren, das ist eine der komplizierten Geschichten, die erzählt werden.

Immer geht es dabei um Liebe, wie der Titel schon verspricht. Glasner löst das Versprechen ex negativo ein. "Das ist Liebe" erzählt davon, was Liebe nicht ist, was Liebe nicht sein darf, wie Liebe aufhört, wo Geilheit anfängt, und auch von einem Moment, in dem Fürsorge zu einer Form von Liebe wird. Das ist dann ein anderer Feierabend von Maggie. Ihr weißhaariger Verehrer Jörg (Ernst Stötzner) hat gekocht, sie sitzen zu Tisch und erzählen einander vom Tag. Einzige Bedingung: Heute einmal keinen Alkohol. Sie schaffen es eine Viertelstunde.

Diese Prämisse, dass das Leben nur im Delirium auszuhalten ist, wird der ganze Film nie so richtig los. Denn auch Matthias Glasner erzählt durch einen Schleier hindurch: Er hat alles herausgefiltert, was auf Alltäglichkeit, auf Halt, auf Zurechtkommen hindeuten würde, und lässt durch die häufig milchig verwischten Bilder alles auf Verhängnis, auf Last, auf Unerträglichkeit deuten.

Eines Tages sitzt vor Maggie ein Mann, den sie verhören muss. Sie hat ihn schon einmal gesehen, ein paar Wochen davor, als er eine Vermisstenanzeige aufgeben wollte. Er heißt Chris, er ist der Vater einer Adoptivtochter aus Vietnam, der gerade die Brüste zu wachsen beginnen.

Chris hat eine verdrängte Vergangenheit, in der er ein kleines Mädchen drangsaliert hat. Nun zieht er herum mit einem kleinen Mädchen namens Jenjira, das er in Saigon aus einem Bordell losgekauft hat. Sie bläst seinem Freund Holger einen gegen Geld und sieht Chris als die wichtigste Bezugsperson im Leben: als ihren Vater, Mann, Freund, Beschützer, Freier, Liebhaber. Chris sitzt vor Maggie, weil er einen Mann umgebracht hat, und weil Jenjira verschwunden ist.

Wie Matthias Glasner diese beiden Figuren voneinander weg und aufeinander zu inszeniert, das lässt zwischen ihnen deutlich den unsichtbaren Block erkennen, den "This is Love" sichtbar machen will: die Tonnenlast das Daseins, die ungeheure Fehlbarkeit der Gefühle, das Misstrauen, das sich so grundlegend gegen das Zutrauen durchsetzt. "Ich wünschte, ich wäre nie geboren worden", sagt Maggies Tochter Nina an einer wichtigen Stelle des Films. Sie rührt damit ausdrücklich an ein zentrales abendländisches Motiv des Tragischen. Das Pathos des Satzes muss Glasner sich irgendwie verdienen, und hier kippt die Sache ein wenig ins Hochstaplerische: Denn Pathos wird in "This is Love" mit Pathos verdient, es wird nicht aus der Alltäglichkeit heraus entwickelt, sondern als umfassendes Faktum gesetzt. Der ganze Film widmet sich nun vor allem den prekären Formen des Genießens, die dieses Verhängnis dem Publikum ermöglicht.

Schon in seinem letzten Film "Der freie Wille", in dem Jürgen Vogel einen Vergewaltiger gespielt hatte, hatte sich Matthias Glasner weit in die Identifikation mit einer Subjektivität vorgewagt, von der "uns" Abgründe trennen. In "This is Love" fällt die Geschichte deutlich in zwei Hälften auseinander. Denn Maggie (Corinna Harfouch) wird zu einem Opfer tragischer Ironie, sie zahlt drauf, weil ihr Kollege Roland (Devid Striesow) auf gewundene Weise sein enttäuschtes Begehren an ihr rächt.

Der Deutschdäne Chris (Jens Albinus) aber trägt die Tragik in seiner Natur, er darf nicht wollen, was er angeblich will.Tatsächlich schreibt es ihm seine Mutter zu, während er sich asketisch und gegen eine groteske Vaterfigur zu behaupten sucht.

Chris und die Kindfrau Jenjira (Lisa Nguyen) bilden ein Paar am Rande eines Tabus, das in Saigon (so zeigt es Glasner) gewerbsmäßig gebrochen wird, das in der kulturellen Welt von "This is Love" hingegen kathartisch gebrochen wird: Das ist der Höhepunkt des Films und zugleich eines Szene von erhabener Lächerlichkeit. Glasners anspruchsvolle Konstruktion hält dem Druck, unter den er selbst seine Erzählung setzt, nicht stand. Kein Gott kann da helfen, wo ein wenig intellektuelles und ästhetisches Maß schon gelangt hätte.

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1 Kommentar

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  • JD
    jones dow

    Der Film ist absolut sehenswert.

    Die Thematik der Pädophilie wird allerdings zu hoch eingeschätzt. Sicherlich werden hier bewusst Grenzen überschritten und der Zuschauer hat mehrmals angewiedertes Empfinden des Gezeigten. Aber die "reine Liebe" findet keineswegs zwischen Kind und altem Mann statt. Der Film behauptet ja, dass es reine Liebe gar nicht gibt. Sondern immer nur einen Zustand postiver oder auch negativer Emotion. Das Mädchen ist es, dass zwar körperlich ein Kind ist, aber durch ihre Erfahrungen in Saigon seelisch schon so verwundet ist, wie eine erwachsene Kommissarin. Für mich dient die Beziehung zwischen Chris und Jenjira genau wie die zwischen dem verliebten Kommissar und seiner Kollegin, der Darstellung der Fatalität menschlichen Empfindens. Die Liebe, das sowohl größte als auch grausamste Gefühl auf Erden kann man nur durch die Überschreitung von Grenzen und Sehgewohnheit erreichen. Die angedeutete Pädophilie dient nur der Annäherung an die Gefühle des Zuschauers. Mit einer 08/15 Liebesgeschichte wie man sie heute den ganzen Tag auffindet, hätte der Regisseur keine intensive Studie drehen können. Am Ende ist es ein Film der zeigt wie sehr sich Menschen bewusst und unbewusst verletzen können und was daraus für seelische Zerstörungen entstehen. Diese rechtfertigen dann nicht moralisches Fehlverhalten, können uns aber eine Begründung geben auf die Frage: Warum. Ich empfehle weiterhin das Liebesgedicht Marienbader Elegie von Goethe (aus Triologie der Leidenschaft)