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KinoLandvermessen als Expedition: „Die versunkene Stadt Z“ von James Gray ist ein klassischer Abenteuerfilm, angenehm altmodisch inszeniertDie guten englischen Tugenden

Mit den Konflikten bleiben die Engländer eher unter sich: Percy Fawcett (Charlie Hunnam) in Gesellschaft der Einheimischen Foto: Studiocanal

von Barbara Schweizerhof

Wie der Schriftsetzer gehört auch der Abenteurer und Entdecker zu den Berufen, denen die digitale Revolution den Todesstoß versetzt hat. Aber wie banal, dass heute Drohnenflüge jene Art von Expeditionen ersetzen können, bei denen Männer sich einst mit viel Gepäck, einigen Bediensteten und vollem Lebenseinsatz durch den Dschungel schleppten! Anders als der Schriftsetzer hat nämlich der Entdecker und Abenteurer eine nicht auszulöschende Spur in Kinderliteratur, Jungsfantasien und Popkultur hinterlassen.

Das Schöne und wirklich Interessante an „Die versunkene Stadt Z“ ist nun, dass der Film von beidem handelt: zum einen von einem „realen“ Entdecker und Forschungsreisenden, zum andern vom Traum des Abenteuer- und Entdeckerdaseins. Das reale Vorbild zum Filmhelden, der 1867 geborene britische Landvermesser, Archäologe und Artillerieoffizier, Percival Harrison Fawcett ist 1925 auf einer Expedition im Amazonas-Dschungel verschollen, ein zünftiges Ende für einen Entdecker. Welche ansteckende Wirkung vom Traum des Entdeckers noch immer ausgeht, dafür liefert James Grays „Die versunkene Stadt Z“ auf ähnlich zünftig altmodische Weise einen lebendigen Beweis.

Charlie Hunnam, den viele als „Jax Teller“ aus der Serie „Sons of Anarchy“ kennen, spielt diesen Percy Fawcett von der ersten Szene an mit der Aura eines Mannes, der gern über den Horizont hinausblicken würde. In der ersten halben Stunde des Films wird etabliert, wie eng der Rahmen ist, der einem Mann wie Fawcett im postviktorianischen England gesteckt ist: Der ehrgeizige Mann hofft in der Armeehierarchie aufzusteigen, die dafür nötigen tapferen Taten hat er begangen, doch auf dem Empfang, auf dem er seine Meriten per Handschlag bekommen soll, reicht eine hinter seinem Rücken gemachte Bemerkung über seinen in Ungnade gefallenen Vater, und schon ist es vorbei mit der Beförderung. Wo die Türen der Gesellschaft zuschlagen, sind Schicksale besiegelt.

Als einige Zeit darauf die Royal Geographical Society ihm anbietet, eine Landvermessungs­expedition in Südamerika zu leiten, ergreift Fawcett gierig die scheinbar letzte Chance auf Horizonterweiterung. Die Briten sollen helfen, einen Grenzstreit zwischen Bolivien und Brasilien zu schlichten. Kulturelles Vorwissen über Land und Leute ist nicht gefragt, dafür die Risikobereitschaft, die eigene Gesundheit für zwei Jahre aufs Spiel zu setzen.

In seiner Entscheidung unterstützt wird Fawcett von seiner Ehefrau Nina (Siena Miller). Der Film nimmt sich Zeit, um zu zeigen, dass Nina nicht aus Unterwürfigkeit heraus ihrem Mann den Rücken freihält, sondern beseelt ist von einem starken Unabhängigkeitssinn. Sie ist nicht das zurückbleibende Hausmütterchen, das notgedrungen allein die zwei Söhne aufzieht. In fast moderner Perspektive spielt Miller sie als starke Frau, die den Ehrgeiz ihres Mannes versteht. Sogar ihre Frustration über die eigenen mangelnden Entfaltungsmöglichkeiten macht der Film, wenn auch kurz, sichtbar.

In unbekanntem Gebiet

Seinen altmodischen Touch bekommt „Die versunkene Stadt Z“, als Fawcett schließlich im Dschungel landet. Gegen die herkömmlichen Erwartungen nämlich legt er die Expedition nicht etwa als Action-Abenteuer an. In stimmungsvoller Langsamkeit zeigt der Film das Landvermessen als Vordringen in unbekanntes und unheimliches Gebiet. Sicher, es treten finstere Gestalten auf – Franco Nero erscheint als zu Reichtum gekommener „Gummibaron“ –, später wird es Giftpfeile, Kannibalen und hungrige Piranhas geben. Aber seine eigentliche Spannung bezieht der Film nie aus den heldenhaften Aktionen seiner Hauptfigur, sondern ganz aus Fawcetts wachsender Faszination für das, was er tief im Amazonasgebiet zu finden glaubt: die Spuren einer lang vergangenen Zivilisation.

Zum angenehm altmodischen Charakter des Films trägt auch bei, dass die wesentlichen Konflikte sich unter den Expeditionsteilnehmern abspielen und nicht in der Auseinandersetzung mit einer als feindlich interpretierten Umgebung. In seinem Adjutanten Henry Costin (ein hinter seinem Bart fast unkenntlicher Robert Pattinson) findet Fawcett einen treuen Begleiter und Geistesgenossen. Aber bei der nächsten Expedition, die bereits der „versunkenen Stadt Z“ gilt, nehmen Fawcett und Costin ein weiteres Mitglied der Geographical Society mit und müssen sich mit dessen mangelnder körperlichen Fitness und Gruppentauglichkeit herumschlagen. So exotisch der Schauplatz ist, handelt „Die versunkene Stadt Z“ letztlich von den alten englischen Tugenden der Fairness, der Kameraderie und der Selbstlosigkeit.

Gerade darin offenbart der Film auch eine Schwäche: So atmosphärisch packend es dem Independent-Filmer Gray gelingt, dem Genre des Abenteuerfilms neues Leben einzuhauchen, so sehr lässt er sich dazu hinreißen, die Figur des Entdeckers und Abenteuers zu überhöhen. Sicher, auch Charlie Hunnam trägt seinen Teil dazu bei, weil er seinen Helden mit bezwingendem Charisma ausstattet. Wo Gray die Zwiespältigkeit von Fawcetts Entdeckerträumen zeigt, fehlt ihm der Blick für die Zwiespältigkeit der Figur selbst: So gerät ihm Percy Fawcett zur Idealgestalt eines Führers und Forschers, die dunkle Kehrseite des Abenteuers, den Kolonialismus mit all seinen Fehlleistungen und Katastrophen, blendet er dafür einfach aus.

„Die versunkene Stadt Z“: R.: James Gray. Mit Charlie Hunman, Robert Pattinson u.a. USA 2016, 140 Min. Ab 30.3. im Kino

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