Kino-Komödie "Humpday": Keine "schwule Panik"
Hollywood erlaubt Gefühle zwischen Männern nur in Form von brüderlichen Freundschaften. Dass auch mal Erotik mitschwingen kann, zeigt Lynn Sheltons neuer Film "Humpday".
Auch Jungs können Gefühle zeigen. Unter diesem Motto hat sich die amerikanische Komödie in den letzten Jahren scheinbar neu erfunden; interessanterweise hat sich im Zuge dieses Paradigmenwechsels auch die Geschlechterdynamik radikal verschoben: Der neue amerikanische Mann/Junge ist sich selbst genug. Er trägt seine alten Band-T-Shirts auf, sammelt Actionfiguren und sinniert mit seinen Bros (die Koseform des englischen Wortes Brother), seinen besten Kumpels, vor der Videokonsole über die Komplexität der heterosexuellen Paarbildung, in der seine niedrigsten Instinkte hemmungslos unterdrückt werden. Im Grunde seines reinen Herzens ist auch der Kindmann ein kleiner Narziss.
Die Filme dieser neuen Befindlichkeitsschule tragen so programmatische Titel wie "Grown Ups" (der deutsche Titel "Kindsköpfe" verkehrt die feine Ironie dieser mentalen Disposition ins Offensichtliche), "I love you, man" oder "Forgetting Sarah Marshall" und stammen größtenteils aus der Humor-Fabrik Judd Apatows. Implizit geht es in ihnen um die fundamentale Lebensfrage, wie man mit seinen Bros eine gute Zeit verbringen kann, ohne damit gleichzeitig die eigene Frau/Freundin zu hintergehen. Der Subtext dieser Filme ist auf charmant-verklemmte, aber auch pubertär-klebrige Weise homoerotisch, was diese Genre-Nische zu einer recht exklusiven Veranstaltung macht. Denn der neue amerikanische Kindskopf kann seine Gefühle nur seinesgleichen zeigen.
Außerhalb der Humor-Liga Adam Sandler-Kevin Jame-Seth Rogen-Paul Rudd geht es auch ein wenig reflektierter, das zeigt sich in Lynn Sheltons neuer Komödie "Humpday"; ein Titel, der bereits nahe legt, dass die Verbrüderungsrituale hier auf ein neues Level gehievt werden - "Hump" bedeutet so viel wie "bespringen". Zunächst sieht alles noch ganz hetero-normativ aus. Ben und Anna haben sich in Seattle, dem kulturellen Zentrum der "Mumblecore"-Bewegung, eine kleine Existenz aufgebaut; jetzt fehlt nur noch ein Kind zum vollkommenen Glück. Doch eines Nachts steht wie aus dem Nichts Bens Collegefreund Andrew vor der Tür, der nicht nur äußerlich an den aktuellen Comedy-Shootingstar Zack Galifanakis ("Hangover") erinnert.
Ben und Andrew verbindet eine turbulente Vergangenheit; es ist eine Freundschaft, zwischen die keine Frau passt, wie sie früher wohl gesagt hätten. Gemeinsam fallen sie in einen Zustand der fröhlichen Regression zurück - so gut, so bekannt. Ernst wird es, als Ben Andrew vorschlägt, zum Beweis ihrer Männerfreundschaft für ein lokales Amateur-Pornofilm-Festival einen Beitrag zu drehen. Gay Sex als ultimativer Freundschaftsbeweis, aber auch als Versicherung der eigenen Heterosexualität. Mit der Fragestellung "Sind wir Mann genug, unseren besten Freund zu ficken?" krempelt Shelton das Genre der sogenannten Bromantic Comedy einmal gehörig um. Während in den Produktionen Judd Apatows und Kevin Smiths die Jungs immer nur um den heißen Brei herumreden, kommt "Humpday" direkt zur Sache.
Shelton kommentiert dabei die grassierende "schwule Panik" in Hollywood-Produktionen, die sich gewöhnlich in einem Dauerfeuer aus schwulen Witzeleien und Ressentiments (ent)äußert, ebenso wie das Macho-Gehabe unter echten Bros. Dass sich mit Shelton einmal eine Regisseurin dieses Jungs-Universums angenommen hat, wäre als Erklärung für die Besonnenheit von "Humpday" wieder nur ein Klischee. Denn zunächst einmal zählt der genaue Blick.
Shelton ist wie das Postergirl der amerikanischen Mumblecore-Szene, in deren Filmen ein introspektiver bis privatistischer Ton vorherrscht. So fällt auch "Humpday" stark dialoglastig aus. Aber Shelton fördert etwas zu Tage, was Hollywood vollkommen abgeht: eine gesunde Ambivalenz gegenüber der eigenen Männlichkeit. Zwar sind Ben und Andrew menschlich genug, in Anbetracht der eigenen Courage schließlich selbst einer "schwulen Panik" zu verfallen. Aber wenigstens hat man mal drüber geredet.
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