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■ Kinkels verteidigt AWACS-Einsätze und Somalia-BeschlußEin bißchen Brechreiz

Ein „politischer und verfassungsrechtlicher Konsens“ über ein erweitertes Engagement der Bundeswehr, das klingt vernünftig, fast schon wieder zivil und – aus dem Munde von Klaus Kinkel – auch ein bißchen verlogen. Denn nicht zuletzt der Außenminister hat bei der Zementierung des aktuellen Dissenses seinen kaum zu unterschätzenden Beitrag geleistet. Seine eigenen Skrupel zur Schau stellend, doch ohne Rücksicht auf die Vorbehalte der Sozialdemokraten, hat er den ersten Kampfeinsatz in der Geschichte der Bundeswehr mitorganisiert. Wenn aber für die neue Rolle deutscher Soldaten Konsens notwendig ist, dann muß man ihn herbeiführen, bevor man sie losschickt; entscheidet man sich machtpolitisch, unter Ausnutzung verfassungsrechtlicher Grauzonen, für die umgekehrte Variante, schrumpft die Konsensforderung aufs Niveau zynischer Rhetorik. Verständlich und fatal zugleich, ziehen sich die Sozialdemokraten auf ihren schon anachronistischen Blauhelmbeschluß zurück. Ihr gestriges Angebot – Verfassungsänderung für den Somalia-Einsatz innerhalb von zwei Wochen – klänge fast schon gewitzt, wäre die humanitäre Hilfstruppe plus militärischer „Schutzkomponente“ nicht schon beschlossene Sache.

Kein Zweifel – unter dem Kriterium der Durchsetzungsfähigkeit macht das Kabinett derzeit ausgesprochen gute Figur. Doch mit jedem Schritt weiter auf den Out-of-area-Schleichwegen werden genau die Argumente faktisch entwertet, mit denen man für eine Einigung hätte werben können. Nicht der Anspruch selbst, die Bundesrepublik müsse ihrer internationalen Verantwortung nachkommen, löst inzwischen Brechreiz aus, sondern seine durchtriebene Intrumentalisierung für die nationale Auseinandersetzung. Die Hilfeleistungen der deutschen Soldaten in Somalia sind Abfallprodukte bei der Erweiterung militärischer Handlungsfreiheit – nicht umgekehrt. Weil das schon alle wissen, wird die demagogische Dosis gesteigert: Deutschland – unmittelbar vor der internationalen Isolation.

Wer Politik auf derart unverfrorene Weise betreibt, für den ist Dünnhäutigkeit Luxus. Wenn Kinkel im Parlament entsetzt-beleidigt von sich weisen muß, die Regierung betreibe eine „Militarisierung der Außenpolitik“, kann er einem schon nicht mehr leid tun. Man traut dieser Regierung einfach viel zu. Sie hat nicht nur die Atmosphäre, in der die Debatte geführt wird nachhaltig vergiftet, sie hat auch die innen- und außenpolitischen Dimensionen des Problems solange vermischt, daß die Unterscheidungen jetzt schwer fallen. Geht es der Bundesregierung um internationale Verantwortung oder doch um die internationale Durchsetzung nationaler Interessen? Zusatzfrage: Darf sich die Republik dabei allein auf die Gutwilligkeit von Klaus Kinkel verlassen? – Der Konsens jedenfalls ist in weite Ferne gerückt. Matthias Geis

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