Kinderverbot im Lokal: "Pizza Ungarn" ohne Pampers
Kampf den Kindern: Im Raum München sperrt ein Wirt unter 12-Jährige aus. Andernorts kämpfen Anwohner gegen Kita-Pläne.
MÜNCHEN taz Das Angebot in der Kraiburger "Hacienda" ist facettenreich. "Rinderfiletfetzen Tornado" gibt es für 12 Euro, eine "Pizza Ungarn" kostet 9,50. Ein Mischmasch, der ein bisschen nach Abenteuer und weiter Welt klingt. So etwas goutieren die Leute hier draußen 80 Kilometer östlich von München, wo sonst wenig los ist. Neuerdings schätzen die Gäste, dass sie inzwischen unter sich sind. Das Lokal hat ein in Deutschland wohl einmaliges Modell eingeführt: Kinder unter 12 Jahren dürfen das Lokal nicht betreten. In der "Hacienda" herrscht absolutes Kinderverbot.
Dieter Hein heißt der Wirt, aus dem Rheinland ist er einst hierher an den Inn in die beschauliche Marktgemeinde mit ihren schönen Bürgerhäusern gekommen, hat sein Lokal mit den großen Berlin-Mitte-Schaufenstern peppig orange angemalt - und irgendwann genug gehabt von den Kindern, die seiner Meinung nach nicht in die "Hacienda" passen. Denn der Name soll Programm sein, Brunch und Bauchtanz bietet Hein seinen Gästen, ländliche Erlebnisgastronomie ganz ohne Quengeln. "Ich habe erlebt, wie Pampers am Tisch ausgetauscht werden, wie Mütter ihre Brust zum Stillen herausholen, wie Kinder Vasen herunterschmeißen und Tischdecken mit Filzstiften bekritzeln", erklärte Hein immer wieder nach dem Verbotsbeginn, das er in den Lokalblättern anpreist.
Auf die Titelseite des Münchner Boulevardblatts TZ hat er es letzte Woche sogar geschafft, die bayerische Sozialministerin Christa Stewens, selbst Mutter von sechs Kindern, wetterte daraufhin in einer Pressemitteilung: "Kinder sind keine kleinen Monster!" Das Verhalten des Kraiburger Gastwirts sei skandalös und ein trauriges Beispiel für Familienfeindlichkeit in Deutschland.
Bei den Gästen kommt die Initiative des vierfachen Familienvaters Hein gut an. Sie erzählen - die Hemden meist aufgeknöpft, damit man die Goldkettchen sehen kann -, wie angenehm es sich in der "Hacienda" speise, während ihre Kinder zu Hause seien. Ein Ruhebedürfnis, das augenscheinlich viele Bayern haben. Am Donnerstag sendete der Bayerische Rundfunk eine Fernsehreportage über den Fall und befragte die Zuschauer, 17.000 riefen an. Das überraschende Ergebnis: Die Hälfte der Zuschauer begrüßte das Kinderverbot.
Familien im Freistaat kennen solche Ablehnung. In der Münchner Vorortgemeinde Haar etwa kämpfen Anwohner gegen eine Kindertagesstätte, die auf einer Hundewiese gebaut werden soll. Die Argumente der meist greisen Gegner: Erhöhte Lärmbelastung, erhöhte CO2-Belastung, Gefährdung des Bannwaldes und: fehlender Respekt vor der Lebensleistung der Menschen, die hier vor 30 Jahren ihre Häuser gebaut haben. Ähnlich geht es in Grünwald zu, gleich bei der Bavaria-Filmstadt. 50 Kinder haben in einem leer stehenden Bürohaus Unterschlupf gefunden. Ein Anwohner-Pärchen zieht deshalb vors Verwaltungsgericht. In der Klageschrift heißt es: "Die Kinderkrippe bewirkt Disharmonie zur Umgebungsbebauung und trägt bodenrechtliche Spannungen ins Gebiet."
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