Kinderhandel im Profifußball: Moralklub drakonisch bestraft
Keine neuen Spieler bis zum Sommer 2015: Die Fifa verhängt ein Transferverbot über zwei Wechselperioden für Barca wegen der Verpflichtung von Kindern.
BARCELONA taz | Schon in den letzten Tagen gab es in Barcelona diesen Running Gag: Welches Unglück kommt wohl als nächstes? Der emblematische Fußballklub der Stadt hat im Jahr 2014 bereits ein Gerichtsverfahren an den Hals bekommen und seinen Präsidenten verloren (beides wegen der Affäre um den Transfer von Neymar), er hat den Rücktritt seines Kapitäns Carles Puyol erlebt und den Kreuzbandriss seines Torwarts Victor Valdés.
Als sich nach zehn Minuten des Champions-League-Viertelfinals gegen Atlético Madrid am Dienstagabend auch noch Abwehrchef Gerard Piqué mit Hüftproblemen abmeldete, schien die übliche Wochenration schlechter Botschaften mal wieder abgegolten. Niemand ahnte, dass am nächsten Tag eine Nachricht folgen würde, die alle bisherigen noch in den Schatten stellen würde.
Wie der internationale Fußballverband Fifa am Mittag bekannt gab, hat der spanische Meister bei der Verpflichtung minderjähriger Spieler aus dem Ausland gegen diverse Regularien verstoßen und wurde deshalb mit einem Transferverbot für die nächsten beiden Perioden belegt.
Er darf also bis zum Sommer 2015 keine neuen Spieler unter Vertrag nehmen. Zusätzlich wurde gegen Barça eine Geldstrafe von 450.000 Schweizer Franken verhängt, der für die regelwidrige Registrierung der Spieler verantwortliche spanische Verband muss 500.000 Franken Strafe zahlen.
Sanktion kann vermieden werden
Im Detail geht es um zehn Fälle zwischen 2009 und 2013, bei denen Artikel 19 des Reglements verletzt wurde, der internationale Transfers von Minderjährigen nur mit Sondergenehmigung der Fifa erlaubt – etwa wenn die Eltern umziehen oder, bei 16- bis 18-Jährigen, wenn der Vereinswechsel innerhalb der Europäischen Union vonstattengeht.
Barcelona drohte diese Vorschriften bereits im vorigen März zu verletzen, weshalb der Weltverband damals die Verpflichtung von sechs Spielern aus Korea, Frankreich, Nigeria und Kamerun untersagte. Gegen das Urteil vom Mittwoch wird der Verein nach ersten inoffiziellen Informationen eine Berufung vor dem Internationalen Sportgerichtshof einlegen. Dem FC Chelsea war es 2009 auf diesem Weg gelungen, eine vergleichbare Fifa-Sanktion in einem ähnlichen Fall noch zu vermeiden.
Aber Chelsea ist Chelsea und Barcelona ist Barcelona. Der Klub, der bis vor ein paar Jahren auf seinen Trikots für die Unicef warb und dafür noch sogar Geld zahlte. Der sich mit seinen kleinen Fußballern, ihrem künstlerischen Spiel und der gesellschaftlichen Bedeutung als „Kataloniens unbewaffnetes Heer“ – so einst der Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán – immer als der etwas bessere und moralischere Verein darzustellen verstand.
Auch Marc-André ter Stegen betroffen
Hat dieses Image durch die verdeckten Handgelder und die mögliche Steuerhinterziehung bei der Verpflichtung von Neymar schon kräftig gelitten, droht es regelrecht pulverisiert zu werden – auch wenn die Absichten Barças sicher nicht so unlauterer Natur sind wie diejenigen einiger Spielerhändler, deren Treiben die Fifa mit ihrem strengen Vorgehen prinzipiell im Visier hat.
In sportlicher Hinsicht könnte die Entscheidung zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen. Die erste Mannschaft bedarf dringend einer Renovierung. Pikant ist das Urteil etwa für die Situation im Tor, wo Valdés schon vor einem Jahr seinen Abgang zum Saisonende angekündigt hat und bis Sommer 2015 jetzt nur noch der 38-Jährige José Manuel Pinto zur Verfügung stünde, der beim 1:1 gegen Atlético dem Publikum mit abenteuerlichen Spieleröffnungsversuchen sämtliche Nerven raubte – sowie die Keeper aus dem Reserveteam.
Dabei war der Nachfolger für Valdés ja eigentlich längst unter Vertrag genommen. Nur die offizielle Bestätigung des Transfers von Marc-André ter Stegen von Borussia Mönchengladbach stand noch aus. Nun steht Barça mehr denn je am internationalen Pranger. Das einzig Positive: Für den geplanten Stadionbau würde man das Geld jetzt leichter zusammenbekommen, wo man auf dem Transfermarkt notgedrungen sparen wird.
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