■ Kiffer vor Gericht: Tiefste Provinz
Während die Scheinwerfer der Kameras auf den Mykonos-Prozeß gerichtet waren, nahm im Kriminalgericht Moabit nahezu unbemerkt ein anderes Verfahren seinen Lauf: Nach dem aufsehenerregenden Beschluß des Lübecker Landgerichts, das Haschischverbot sei verfassungswidrig und müsse vom Verfassungsgericht überprüft werden, hat sich in Berlin erstmals ein Angeklagter mit dem gleichen Ansinnen an das Amtsgericht Moabit gewandt. Der 51jährige Ex-Lehrer Friedolin Sch. legte mit frappierender Offenheit dar, daß er seit vielen Jahren Haschisch raucht und damit erfolgreich seine Alkoholsucht bekämpft hat: Seit sieben Jahren sei er trocken. Daß Haschisch eine erfolgreiche Hilfe zum Ausstieg aus dem Alkoholismus sein kann, ist durch Fachliteratur belegt.
Doch im Gegensatz zu ihren Kollegen in Frankfurt und Lübeck – selbst in Kleinstädten wie Hildesheim ist die Justiz aufgeschlossener – weigern sich die Berliner Richter hartnäckig, die Realität wahrzunehmen: Im Vergleich zu Haschisch ist Alkohol eine Droge mit geradezu verheerender Wirkung. Durch Alkohol sterben jährlich mindestens 40.000 Menschen, während bislang noch kein einziger Todesfall dokumentiert wurde, der auf Haschischgenuß zurückzuführen ist. Mindestens vier Millionen Kiffer gibt es in der Republik, die friedlich ihren Joint rauchen, ohne einer Fliege etwas zuleide zu tun. Doch die Sicht der Berliner Justiz ist so alkoholgetrübt, daß ihr nichts anderes einfällt, als solche Leute psychiatrisch untersuchen zu lassen und in die Entziehungsanstalt einzuweisen. Friedolin Sch. hat sich weit vorgewagt. Gegen die sturen Berliner Richter kann ihm nur noch die Karlsruher Revision des Haschischverbots helfen. Plutonia Plarre
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