Kieler Wirtschaftsminister Reinhard Meyer: "Die Fehmarnbelt-Querung kommt"
Schleswig-Holsteins neuer Wirtschaftsminister im taz-Interview über die Fehmarnbelt-Querung, einen neuen Elbtunnel und den Konflikt mit Hamburg um die Windmesse Husum.
taz: Herr Meyer, was sind für Sie die vordringlichen Themen als neuer Wirtschaftsminister?
Reinhard Meyer: Der Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein muss gestärkt werden. Da gibt es noch Reserven. Maritime Wirtschaft, Nahrungsmittel, Gesundheitswirtschaft, Tourismus – alles Branchen mit großer Zukunftsfähigkeit. Die will ich nutzen und ausbauen.
Die Energiepolitik allerdings musste laut Koalitionsvertrag das Wirtschaftsministerium an das grün geführte Energie- und Umweltministerium abgeben. Fühlen Sie sich amputiert?
Nein. Wir wollen die Energiewende als Landesregierung gemeinsam umsetzen. Da ist es sinnvoll, alle Zuständigkeiten in einer Hand zu bündeln. Welches Ressort das macht, ist zweitrangig.
Also keine kleinlichen Eifersüchteleien?
Da darf es keine Eitelkeiten geben. Wir werden die Energiewende in dieser Koalition gemeinsam umsetzen. Das allein zählt.
Aber das ist – von Offshore über Stromnetze bis zur Vollendung des Atomausstiegs – das größte wirtschaftspolitische Thema. Was machen Sie denn eigentlich den ganzen Tag?
Vieles im Energiebereich ist klassische Wirtschafts- und Standortpolitik. Dafür bin ich zuständig. Und außerdem auch noch für Verkehr, Arbeit, Technologie, Verbraucherschutz und Tourismus – ich langweile mich nicht.
Im Tourismus kennen Sie sich als langjähriger Präsident des Deutschen Tourismus-Verbandes gut aus. Bleiben Sie Chef dieser Lobby-Organisation?
52, SPD, Politologe, war von 2001 bis 2006 Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von Mecklenburg-Vorpommern, von 2006 bis 2012 Chef der Staatskanzlei in Schwerin, seit dem 12. Juni ist er Minister in Schleswig-Holstein. Er wohnt in Hamburg.
Ja. Das ist ehrenamtlich.
Wollen Sie als Minister Meyer mit Präsident Meyer verhandeln?
Wir haben das auch im Verband besprochen und sehen kein Problem. Wichtig ist sicher, dass ich mich in schleswig-holsteinischen Fragen etwas zurückhalte, andererseits kann ich das bundesweite Netz der Tourismuswirtschaft auch besser für Schleswig-Holstein nutzen. Ich sehe Synergien, keine Interessenkollision.
Sie sind auch für Verkehr zuständig. Als Chef der Staatskanzlei in Schwerin standen Sie der Fehmarnbelt-Querung ablehnend gegenüber. Jetzt befürworten sie diese?
Aus der Sicht von Mecklenburg-Vorpommern stellt sich die Frage, wie Verkehre im Ostseeraum organisiert werden, anders. Aus schleswig-holsteinischem Blickwinkel habe ich festzustellen, dass es einen Staatsvertrag zwischen Dänemark und Deutschland gibt und dass das dänische Interesse an diesem Projekt sehr ausgeprägt ist. Ich muss davon ausgehen, dass die Fehmarnbelt-Querung kommt, und deshalb werde ich mich als Verkehrsminister damit beschäftigen, welche Auswirkungen das auf die Schienen und Straßen in Ostholstein hat.
Welche denn?
Wir müssen darauf achten, dass Ostholstein nicht zu einem reinen Transitkorridor für europäischen Fernverkehr verkommt.
Woher kommt dieser Sinneswandel?
Als Minister hier muss ich in erster Linie auf das Landesinteresse von Schleswig-Holstein schauen. Da bewerte ich dieses Vorhaben aus Kieler Sicht anders als aus Schweriner.
Sie klingen wie ein Fußball-Profi, der den Verein wechselt und Tore gegen seine alte Mannschaft schießt.
Ich bin vereidigt auf die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein.
Das aber auch als Tourismusminister. Und gerade die Seebäder an der Lübecker Bucht, die fast ausschließlich vom Tourismus leben, befürchten erhebliche negative Auswirkungen der Fehmarnbelt-Querung: mehr Verkehr, mehr Lärm, mehr Güterzüge auch nachts – und deshalb weniger Feriengäste. Wie wollen Sie diesen Spagat meistern?
Es gibt positive und negative Faktoren. Positiv wären mehr Urlauber aus Skandinavien, negativ wären höhere Lärmemissionen. Ich sähe erhebliche Probleme, wenn die bestehende Bahntrasse, die zum Teil durch die Urlaubsorte hindurchführt, einfach für die zusätzlichen Züge ertüchtigt würde. Das müssen wir mit der Deutschen Bahn lösen.
Die neigt aber dazu, eben diese Trasse auszubauen statt eine neue weiter weg vom Strand im Binnenland zu bauen.
Ja. Genau deshalb müssen wir mit der Deutschen Bahn erörtern, wie wir eine verträgliche Lösung hinbekommen.
Also Lärmschutz oder neue Trasse?
Ja. All das wird zurzeit im Raumordnungsverfahren untersucht. Ich gehe davon aus, dass wir gute Ergebnisse finden werden.
Bei einem anderen Thema haben Sie ihre Ansichten offenbar nicht geändert: In Mecklenburg-Vorpommern waren Sie ein Fan der A 20, das sind Sie jetzt immer noch?
Ich befürworte den Ausbau der Ostseeautobahn weiterhin, ja.
Aber auf Druck der Grünen steht im Koalitionsvertrag, dass die A 20 mitten im Land nördlich von Hamburg an der A 7 enden soll.
Dieser Passus im Koalitionsvertrag ist schlicht realistisch. Mehr als dieser vierte Bauabschnitt wäre in dieser Legislaturperiode kaum zu schaffen. Deshalb konzentrieren wir uns als Koalition auf das Machbare. Die Fortführung nach Westen werden wir aber weiter planen.
Mit Elbtunnel bei Glückstadt nach Niedersachsen?
Das ist das Kernproblem. Dafür gibt es bislang keine tragfähige Finanzierung. Damit steht und fällt der Weiterbau.
Der Elbtunnel würde privat oder öffentlich-privat errichtet. Stehen die Investoren nicht Schlange?
Nach unserem Kenntnisstand liegt im Bundesverkehrsministerium ein Gutachten in der Schublade, das für kein denkbares Finanzierungsmodell eine belastbare Basis sieht.
Dann würde die Autobahn also nicht bis nach Niedersachsen weiter gebaut werden?
Ohne Finanzierung sehe ich keine Realisierung.
Und dann würden alle Nord-Süd-Verkehre weiter durch den Hamburger Westen und den dortigen Elbtunnel führen?
Mittelfristig ja. Um das Nadelöhr Hamburg zu entlasten, bräuchten wir eben eine weitere Elbquerung.
Den Tunnel bei Glückstadt?
Sinnvoll wäre das. Ob er auch bezahlbar ist, ist die Frage.
Welche Schienenwege haben für Sie Priorität?
Die S 4 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe und die S 21 zwischen Hamburg und Kaltenkirchen sind wichtig für die Pendlerströme im Hamburger Speckgürtel. Dazu die Stadt-Regionalbahn in Kiel und die Bahnverbindungen an der Westküste. Es ist – auch unter touristischen Aspekten – nicht akzeptabel, dass man von Hamburg nach Sylt mehr als drei Stunden braucht, doppelt so lange wie nach Berlin. Das sind die vordringlichsten Punkte.
Drängend ist auch der Ausbau von Nord-Ostsee-Kanal und Elbe-Lübeck-Kanal?
Ja. Die neue Schleuse am Nord-Ostsee-Kanal in Brunsbüttel ist bereits im Bau, der Ausbau des gesamten Kanals ist dringend erforderlich. Das kostet Hunderte von Millionen – auch darüber müssen wir mit dem Bund sprechen. Und der Elbe-Lübeck-Kanal ist eher eine romantische Strecke für Paddler als ein leistungsfähiger Wasserweg zwischen den Häfen von Hamburg und Lübeck. Auch über diesen Ausbau müssen wir mit dem Bund reden, um Verkehre von der Straße auf das Wasser zu verlagern.
Sie kennen sich bekanntlich in der Hamburger Politik bestens aus. Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit der Metropole im Süden Schleswig-Holsteins vor?
Wichtig ist, gemeinsame Politik auf Augenhöhe zu machen. Projekte gibt es reichlich.
Auf Augenhöhe? Mit Hamburgs Alleinherrscher Olaf Scholz?
Da bin ich zuversichtlich.
Im September steht die nächste Windmesse in Husum an. Wird sie auch die letzte sein, weil Hamburg sie ab 2014 „auf Augenhöhe“ ausrichten will?
Dieser Zwist im vorigen Jahr war kontraproduktiv. Wir sind dabei, Lösungen zu finden.
Wie könnten die aussehen?
Warten Sie es ab. Wir werden es mitteilen, wenn es soweit ist.
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