Kiel schließt alte Schwimmbäder: Stadt zieht Stöpsel
Die Stadt Kiel schließt ihre alten Schwimmbäder, nachdem sie sie jahrelang vernachlässigt hat. Dafür baut sie bald ein 17 Millionen Euro teures Sport- und Freizeitbad.
KIEL taz | Kiel stampft systematisch seine Bäder ein. Sie sind zu marode, unrentabel und erfüllen nicht die neuesten energetischen Standards - da sind sich die großen Fraktionen in der Kieler Ratsversammlung einig. Es ist so gut wie sicher, dass der Rat im Frühjahr den Bau eines 17 Millionen Euro teuren Sport-und Freizeitbades beschließen wird, im Herbst 2011 sollen die Bauarbeiten beginnen. Veranschlagt ist eine Bauzeit von zwei Jahren.
Spätestens jetzt ist damit auch klar, dass den übrigen schwer sanierungsbedürftigen Bädern - der historischen Lessinghalle am Schrevenpark, dem Gaardener Hallenbad und dem Freibad Katzheide - endgültig die Stöpsel gezogen werden.
Bis ins vergangene Jahr hatte sich die "Bürgerinitiative Lessinghalle" mit Mahnwachen vor dem Schwimmbad für dessen Erhalt eingesetzt. "Immer weniger Kinder können noch richtig Schwimmen, der Trend wird durch die Schließung nur noch verstärkt", sagt eine Anwohnerin des Lessingplatzes. Stattdessen lasse man im leer stehenden Becken wilde VIP-Parties stattfinden, wo man nur auf Einladung reinkomme. Die Halle wird inzwischen als Ausstellungsraum von der Kieler Muthesius-Kunsthochschule genutzt.
Empörung herrscht auch über die Schließung des Freibades Katzheide, das vor allem von Bewohnern des armen Stadtteils Gaarden frequentiert wird. Viele Familien könnten sich die Eintrittspreise des neuen Sport-und Freizeitbades wohl nicht mehr leisten, befürchtet Ingrid Zimmermann von der Ratsfraktion Direkte Demokratie. Mit "goldener Peitsche" würden Kinder aus Katzheide vertrieben.
Die evangelische und die katholische Kirchengemeinde in Gaarden haben Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) aufgefordert, "alles zu unternehmen", das Sommerbad Katzheide zu erhalten. "Für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche hat das Bad eine hohe Bedeutung", klagen Pastor Uwe Hagge und Gemeindereferentin Christa Schmaljohann. Wer an einem warmen Sommertag die Menschenscharen sehe, die mit Kinderwagen und Picknickkorb ins Freibad ziehen, der wisse, wie gelebte Integration aussehe. Besonders für die Familien aus Gaarden, die aus Kostengründen auf kurze Wege angewiesen seien, sei der Erhalt wichtig.
Lange hatte die Stadt Kiel ihre Bäder vernachlässigt. "25 Jahre ist in die bestehende Materie kein Geld investiert worden", sagt Torsten Stagars, sportpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion. 15 Millionen Euro hätte allein die Sanierung der Lessinghalle gekostet. Die Schwimmhalle in Garden, die mit dem neuen Sport- und Freizeitbad wegfallen soll, sei ein heruntergekommener Glasbau aus den 70ern. Und das Sommerbad Katzheide müsse jedes Jahr mit 450.000 Euro subventioniert werden - bei 40.000 Besuchern im Jahr.
Die 17 Millionen Euro, die der Bau des neuen Sport- und Freizeitbades koste, seien billiger als eine Sanierung der alten Bäder, meint Stagars. Ein Neubau sei eindeutig die bessere Lösung: Unter den jetzigen Bedingungen müssten die Kieler Sportler ins Umland ausweichen, um zu trainieren. Und der Schwimmunterricht an den Schulen sei fast zum Erliegen gekommen.
Dass die derzeitigen Eintrittspreise von 1,20 Euro für Kinder und 2,70 Euro für Erwachsene steigen werden, bestreitet der SPD-Mann nicht. "Aber wir hätten die Preise sowieso anheben müssen", sagt Stagars, der auch im Aufsichtsrat des neuen Sport- und Freizeitschwimmbads sitzen wird.
Der Standort des neuen Schwimmbads an der Hörn liegt am Ende der Kieler Förde - genau da, wo der Stadtteil Gaarden beginnt. Dass sich viele Bewohner des Viertels das Schwimmen dann nicht mehr werden leisten können, glaubt Stagars nicht. Immerhin gebe es in Kiel ja Initiativen wie "Kids in the Clubs": Kinder aus Hartz-IV-Familien könnten damit kostenlos einem Schwimmverein beitreten - und das neue Bad dann auch mal von innen sehen.
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