■ Kids und Gewalt: „Was hätte ich denn alleine tun sollen?“
Christine Paletzky, 19 Jahre, Azubi
Gestern im U-Bahnhof Rosenthaler Platz habe ich gesehen, wie zwei junge Typen ein Mädchen anmachten. Als sich ein Obdachloser einmischte, haben die Typen auf ihn eingeschlagen. Die Leute ringsum haben nichts unternommen, sind in die U-Bahn eingestiegen. Die von der BVG haben sich einen Dreck darum geschert, der Zug ist gleich weitergefahren. Was hätte ich da alleine tun sollen?
Danny Pfuhl, 17 Jahre, Schüler
Dauernd werden wir Deutschen angemacht von den Türken. Wir haben 110 von denen an der Schule. Da kommt es schon mal zu Schlägereien und Messerstechereien. Deshalb bilden wir Gruppen, um ein Gegengewicht zu haben. Sonst kriegt man ja immer wieder eins auf die Klappe, wenn man sich nicht wehrt. Wir sind keine Skinheads, sondern ganz einfache Leute.
Britt Aumeier, 13 Jahre, Schülerin
Bei uns auf dem Gymnasium im Prenzlauer Berg hält es sich mit der Gewalt noch in Grenzen. Skinheads oder ähnliches gibt es zum Glück nicht. Manchmal allerdings prügeln sich die Jungs auf dem Schulhof herum. Bei diesen Streitereien geht es dann darum, wer mit welchem Mädchen essen geht. Das finde ich ziemlich albern, die müßten doch zuallererst das Mädchen fragen.
Bianca und Garep, 18 und 22 J., beide arbeitslos
Bianca: Als mein Exfreund vor einem halben Jahr seinen Job verlor, hat er angefangen zu trinken und mich zu schlagen. Jetzt bin ich ausgezogen und habe meine Ruhe. Ich brauche ein bißchen Zeit, mich davon zu erholen.
Garep: Meine Eltern wollten mich unbedingt verheiraten, aber ich wehrte mich dagegen. Als sie anfingen mich zu schlagen, bin ich ausgezogen. Jetzt bin ich frei.
Jens Mertins, 13 J., und Marcel Polier, 14 J., Schüler
An unserer Gesamtschule in Mitte machen die Großen immer den Macker. Aber sonst ist es ganz ruhig, Rechtsradikale gibt es bei uns nicht. Wir haben nur eine einzige Ausländerklasse. Die Schüler kommen aus Rußland, der Türkei, Korea, eigentlich von überall her. Bei uns sind die Ausländer eher ruhiger als wir, die helfen und sind sehr nett. Trotzdem wird ganz schön auf ihnen herumgehackt.
Bettina Priewe, 18 Jahre, Studentin
Ich komme aus Anklam, finsterste Provinz und ein richtiges Nazi- Nest. Nach acht Uhr kann ich da gar nicht mehr auf die Straße gehen. Die kennen meinen Namen, meine Adresse, im Briefkasten habe ich NPD-Werbung. Einmal wurde ich eingekreist von so einer Horde. Erst hab' ich versucht, mit denen zu diskutieren, aber als das nichts brachte, bin ich ganz ruhig losgegangen. Ich laufe nicht weg!
Umfrage: Noel Rademacher
Fotos: Bente Geving
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