: Khartum erpresst Juba mit seiner Ölpipeline
SUDAN Hohe Durchleitungsgebühr für Ölexporte, Streit um die Einführung einer neuen Währung – zwei Wochen nach der Unabhängigkeit macht der Norden dem befreiten Südsudan das Leben schwer
BERLIN taz | Wenige Wochen nach seiner Unabhängigkeitserklärung stehen Südsudan und der Rest des Sudan ökonomisch auf dem Kriegsfuß. Von einem „Wirtschaftskrieg“ des Nordens sprach Pagan Amun, Generalsekretär der Regierungspartei SPLM (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung), in Südsudans Hauptstadt Juba am Montag und warf der nordsudanesischen Regierung in Khartum „Diebstahl am helllichten Tag“ vor. Grund: Sudans Regierung verlange eine Durchleitungsgebühr von 22,80 US-Dollar für jedes Barrel Öl, das aus Südsudans Ölfeldern durch Pipelines zum Exporthafen Port Sudan am Roten Meer fließt.
Südsudan wurde am 9. Juli unabhängig. Fast alle seine Staatseinnahmen außer Entwicklungshilfe kommen aus dem Ölexport. Im Südsudan befinden sich 75 Prozent der Ölvorkommen des gesamten Sudan, dessen Förderung zuletzt bei rund 486.000 Barrel täglich lag. Für den Norden bedeutete der Verlust des Südens also auch den Verlust seines wichtigsten Devisenbringers.
Vor der Unabhängigkeit wurden die sudanesischen Öleinnahmen theoretisch 50 : 50 zwischen Nord und Süd aufgeteilt, aber der Süden erhielt seinen Anteil meist verspätet oder gar nicht. Sudans staatliche Ölgesellschaft Sudapet verkaufte Öl zuletzt für 114,50 Dollar pro Barrel. Die Tagesförderung des Südsudan ist rund 40 Millionen Dollar wert, also rund 14,5 Milliarden Dollar im Jahr, wovon nur ein Bruchteil im Süden verbleiben; Khartum veranschlagt die Einnahmen aus der neuen Transitgebühr auf 2,6 Milliarden Dollar jährlich, wie aus einem vergangene Woche vorgelegten Nachtragshaushalt hervorgeht. Juba hält eine Transitgebühr von gerade einmal 0,60 bis 2 Dollar pro Barrel für fair.
Viele Druckmittel hat der Süden nicht. Nach wie vor vermarktet Khartums staatliche Ölgesellschaft Sudapet das Öl des Südens. Es gibt zwar eine südsudanesische staatliche Ölgesellschaft namens Nilepet, aber ein erstes Abkommen dieser Firma mit dem Londoner Rohstoffriesen Glencore zur Vermarktung südsudanesischen Öls wurde inzwischen von Südsudans Regierung wieder annulliert.
Südsudan ist aber nicht nur für den Export von Rohöl auf den Norden angewiesen, sondern auch für den Import von Ölprodukten – was der Norden ebenfalls ausnutzt: Benzin ist im bitterarmen Südsudan derzeit knapp und kostet so viel wie in Deutschland. Projekte einer alternativen Ölpipeline aus Südsudan nach Kenia stehen bislang nur auf dem Papier.
Für Chaos sorgt auch die Einführung einer eigenen südsudanesischen Währung. Am Sonntag brachte die Regierung in Juba ein eigenes Pfund auf den Markt. Das bisherige sudanesische Pfund soll im Verhältnis 1 : 1 umgetauscht werden. Doch um Spekulation zu verhindern, führte der Norden über Nacht ebenfalls neue Geldscheine ein. Die im Südsudan zirkulierenden alten sudanesischen Geldscheine im Wert von umgerechnet rund 500 Millionen Euro werden damit offiziell wertlos. Die beiden Zentralbanken müssen das jetzt miteinander klären. DOMINIC JOHNSON