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Archiv-Artikel

Keine neuen Erkenntnisse

betr.: „Angst vorm neuen Mann?“, taz vom 21. 2. 03

Wunderbar, dass frau nach 35 Jahren Feminismus und Frauenpolitik jetzt endlich von männlicher Seite Unterstützung bekommt. Und gleich wissen die Herren Volz und Döge auch, wo ’s langgeht und was genau in der Geschlechterpolitik bisher alles falsch gelaufen ist. Nicht nur Männer, sondern auch Frauen tragen zur Reproduktion traditioneller Geschlechterstereotype bei? Nun ja, die Erkenntnis ist nicht gerade neu. Wir alle sind ständig mit „doing gender“ beschäftigt.

Was die Autoren vergessen oder nicht erwähnen wollen: Die Geschlechterbilder in unseren Köpfen und das Verhalten, das sie steuern, sind asymetrisch, beruhen auf Herrschaft, deutlicher: auf Dominanz der Männer und Unterordnung der Frauen. Das ist in unterschiedlichen Milieus unterschiedlich ausgeprägt. Die wiederholt von ihrem „Partner“ geprügelte Frau, die die Schuld daran bei sich selber sucht, strickt ebenso an ihrer „Weiblichkeit“ und seiner „Männlichkeit“ wie die Frau, die nach der Geburt eines Kindes ihre Erwerbsarbeit aufgibt und ihrem Mann erlaubt, seine Karriere weiter zu verfolgen.

Mag sein, dass 40 Prozent der deutschen Männer „an einer aktiven Vaterschaft interessiert“ sind, wahrscheinlich sind es sogar noch mehr. Und was führt dazu, dass dann tatsächlich nur zwei Prozent Väter in Elternzeit gehen? Das hat weniger damit zu tun, dass einige Frauen dies als „unmännlich“ empfinden könnten, und mehr damit, dass acht Stunden im Büro alles in allem meist angenehmer verlaufen, als sich Tag und Nacht um das Kind zu kümmern. Von Geld und gesellschaftlicher Anerkennung mal ganz abgesehen.

Trotzdem: Der von Volz/Döge beschworene „kritische Geschlechterdialog“ findet laufend statt: Es ist der ständige Versuch von Frauen, ihre Männer stärker an der Haus- und Familienarbeit zu beteiligen. Aber warum sollten Männer sich die Hälfte der gesellschaftlichen Arbeit aufbürden, wenn sie mit einem Drittel bereits ausgelastet sind, sich als „Ernährer“ fühlen dürfen und den Rest der Zeit für ihre Freizeithobbys brauchen?

Sicher haben Männer „Fürsorgekompetenz“, oder könnten sie, genauso wie Frauen, entwickeln. Nur sind sie daran offenbar nicht interessiert. Jedenfalls dann nicht, sobald es in Arbeit ausartet. Entsprechende „Förderprogramme“ für Männer sind jedenfalls nicht neu. Schon Ende der Siebzigerjahre gab es in NRW parallel zum Programm „Mädchen in Männerberufe“ Versuche, Jungen für Berufe wie Florist oder Arzthelfer zu begeistern. Das Programm musste mangels Nachfrage eingestellt werden. Die Viertagewoche bei VW war eine flächendeckende Arbeitszeitverkürzung für Männer und Frauen. Es stellte sich heraus, dass Männer, die auch vorher schon partnerschaftlich im Haushalt anpackten, dies durch die Arbeitszeitverkürzung verstärkt taten; die anderen gingen diversen Zweitjobs nach.

Was „neuen“ Männern und „neuen“ Frauen wirklich helfen könnte, wissen wir natürlich auch alle längst: die grundlegende Änderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, vor allem die strikte Individualbesteuerung und flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen mit ganztägigen Öffnungszeiten.

CLAUDIA PINL, Köln

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