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Archiv-Artikel

Keine klare Kritik an CDU/FDP

betr.: „Lafontaine und die Hassprediger“, Kommentar von Klaus Hillenbrand, taz vom 19. 7. 05

Was soll die Aufregung um Oskar? Da machen einige eine SPD auf, die die SPD sein soll, die die real existierende SPD nicht mehr sein will: die SPD anno 1998 minus x. Und als größten Erfolg feiert die neue SPD, dass die alte SPD wieder etwas mehr die ganz alte SPD sein will. Deshalb sich aufregen?

Hatten sich die Grünen nicht mal gegründet, um die alte SPD von links zu kritisieren? Und wer hat eigentlich die Abschaffung des Asylrechts auf dem Gewissen? Statt sich über Oskar, Gysi und alle anderen Neo-Sozialdemokraten aufzuregen, sollten sich die Grünen & Co. eher mit dem Standortnationalismus der CDU/FDP auseinander setzen. Das ist der real existierende Nationalismus. Und eine klare Kritik an CDU/FDP wäre auch die beste Voraussetzung für die Erneuerung der eigenen grünen Politik. Aber vielleicht flüchtet man sich ja auch in Verbalinjurien gegen Oskar und Co, weil einem der Konflikt mit CDU/FDP so schwer fällt? Vielleicht deshalb, weil man mit denen die Agenda 2010 gerade unter Dach und Fach gebracht hat? WILHELM ACHELPÖHLER, Münster

Man muss überhaupt kein Fan des Saarländers sein, um die derzeitigen Attacken gegen seine Art der „Kommunikation“ mit dem Wahlvolk als hochgradig heuchlerisch und verlogen zu empfinden. Was haben Lafontaines Kritiker sich nicht schon alles geleistet. Stoiber hat vor der „durchrassten“ Gesellschaft gewarnt. CSU-Generalsekretär Söder hat dem Kanzler attestiert, zum „Kartell“ der Kinderschänder zu gehören. Der Leithammel der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Glos, nannte den Außenminister einen Zuhälter. Gerhard Schröder hat seine Wahlkämpfe dazu missbraucht, Stimmung gegen Ausländer (kriminelle Ausländer raus) und Arbeitslose (kein Recht auf Faulheit) zu schüren. Aber auch Lafontaines Gegner aus dem Bereich der Publizistik messen mit zweierlei Maß, wenn sie ihrem neuen Buhmann seinen bisweilen nur schwer zu ertragenden Populismus vorwerfen. So hat beispielsweise Markworts Focus im April einen Leserbrief veröffentlicht, in dem Joschka Fischer als „parasitärer Befall“ auf dem Wirt SPD bezeichnet wurde. Und diese Gazette echauffiert sich jetzt, weil Lafontaine von „Fremdarbeitern“ redet.

Offensichtlich kommt zurzeit das zum Tragen, was Lafontaine im taz-Interview vom 28. Juni als psychologischen Vorgang beschrieben hat. Der Mensch neige dazu, dem anderen die Fehler besonders heftig vorzuwerfen, die bei ihm selbst am stärksten ausgeprägt sind. Der Saarländer also nur eine Projektionsfläche für den minderheitenfeindlichen Populismus etablierter Politiker und Chefredakteure? UWE TÜNNERMANN, Lemgo

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