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Archiv-Artikel

Keine frohe Botschaft

BESCHERUNG Arge beglückt Arbeitslose zu Weihnachten mit Drohbrief: Wer seinen Vermieter nicht zu Auskünften nötigt, soll kein Geld mehr erhalten

Peter Müller aus Niendorf hat Klage beim Sozialgericht eingereicht. Er steht damit nicht allein

Die Frist endet am Heiligabend. Rechtzeitig zum heute beginnenden Weihnachtsfest müsse der mitgesandte Fragebogen zurück sein, verlangte die Agentur für Arbeit von zahlreichen Hartz- IV-Empfängern. Wenn nicht, so lautete die angefügte Drohung, werde sie die Auszahlung aller den Adressaten zustehenden „Geldleistungen ganz versagen“.

Peter Müller aus Niendorf ist einer der Langzeitarbeitslosen, die das Schreiben Mitte Dezember erhalten haben und inzwischen juristisch dagegen vorgehen. Der Grund: Der Fragebogen, der die schnöde Überschrift „Nachweis der Baualtersklasse“ trägt, kann nicht von ihm selber sondern nur von seinem Vermieter ausgefüllt werden. Und genau da liegt das Problem. „Ich kann meinen Vermieter nicht dazu zwingen, dass er die Fragen beantwortet, bekomme aber keine mir zustehenden Leistungen mehr, wenn er es nicht tut“, sagt Müller.

Zudem wäre die komplette Streichung der Bezüge ohnehin grundsätzlich rechtswidrig, beklagt Müller und verweist dabei auf verschiedene Gerichtsurteile. So hatten das Sozialgericht Kassel und das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bei vergleichbaren Fällen die komplette Streichung der Bezüge bei Arbeitslosengeld-Empfängern als rechtswidrig verneint. Ihre Begründung: Eine „Gefährdung des physischen Existenzminimums“ der Leistungsbezieher dürfe auf keinen Fall in Kauf genommen werden – auch wenn sie sich weigerten, bestimmte Anforderungen der Arge zu erfüllen.

Doch damit nicht genug: Da die Arge sich einen Teil der nachgefragten Daten im Zuge der Amtshilfe vom Katasteramt besorgen könne, unterliege er keiner „Mitwirkungspflicht“, von deren Erfüllung die Arge weitere Zahlungen abhängig macht. Außerdem werde er durch die geforderte Weitergabe des Fragebogens an seinen Vermieter rechtswidrigerweise gezwungen, sich diesem gegenüber als Langzeitarbeitsloser zu outen. Auch habe die Arge es im Rahmen ihrer ultimativen Aufforderung in Gutsherrenart unterlassen, ihrer Beratungs- und Anhörungspflicht nachzukommen, so dass ihm als Betroffenem die außergerichtliche „Abklärung des Sachverhalts abgeschnitten worden“ sei.

Peter Müller hat deshalb Klage beim zuständigen Sozialgericht eingereicht. Er steht damit offenbar nicht allein. „Als ich vergangenen Montagmorgen meinen Eilantrag eingereicht habe, waren am selben Tag bereits mehr als zwanzig entsprechende Widersprüche eingegangen“, erinnert sich der Arbeitslose.

Das Sozialgericht gab dazu gestern keine Auskunft – seine Pressestelle war unbesetzt. Auch die Arge war außerstande, so kurz vor Heiligabend Stellung zu ihren Drohbriefen zu nehmen – ein fest zugesagter Rückruf einer Arge-Sprecherin blieb aus. Die Frist bis Heiligabend – sie gilt offenbar nur für Arge-„Kunden“.

MARCO CARINI