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Keine Weltanschauungs-Werbung auf BussenGott muss wieder zu Fuß gehen

Ausgerechnet kurz vor Ostern verbannen die Berliner Verkehrsbetriebe Werbung für Weltanschauungen aller Art von ihren Fahrzeugen und Bahnhöfen.

"Wahrscheinlich existiert Gott gar nicht. Sorge dich nicht, genieße das Leben": Diese Buswerbeaktion war in Barcelona und London ein Erfolg, in Berlin aber verboten. Bild: dpa

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) legen sich eine Werbebeschränkung auf: "Wir lassen in Zukunft keinerlei religiöse oder sonstige weltanschauliche Werbung mehr zu", sagte die BVG-Sprecherin Petra Reetz am Mittwoch der taz. Grund dafür seien die Debatten der vergangenen Monate. "Mit der Medienresonanz und auch der großen Aufregung in der Politik hatten wir nicht gerechnet", so Reetz. Das Unternehmen sei teilweise "blauäugig" gewesen.

Die BVG hatte zuerst den Initiatoren des Volksbegehrens "Pro Reli", die sich für eine Stärkung des Religionsunterrichts einsetzen, das Sammeln von Unterschriften in der U-Bahn erlaubt. Später hatte die BVG eine atheistische Werbekampagne abgelehnt: Eine Initiative hatte über einen Spendenaufruf im Internet ca. 30.000 Euro gesammelt, um auf Bussen mit dem Slogan "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott" zu werben. Die BVG wollte das auf ihren Bussen nicht haben, weil der Spruch gläubige Kunden aufregen könnte. Gleichzeitig konnten aber Kirchen und christliche Missionswerke für Gott werben. Kritiker warfen dem Unternehmen vor, das Christentum zu bevorzugen und mit zweierlei Maß zu messen.

Als Ausgleich dafür, dass die Befürworter von "Pro Reli" in U-Bahnen warben, dürfen in den gut zwei Wochen bis zur Abstimmung auch die Gegner dort Infomaterial verteilen. Mit bezahlter Werbung ist dagegen schon jetzt Schluss: "Wir haben die Wall AG, die die Flächen vermarktet, angewiesen, keine weltanschauliche Werbung irgendeiner Art mehr anzunehmen", so Reetz. Derzeit sei keine solche Werbung geschaltet. Das Unternehmen habe damit sowieso nicht viel Geld eingenommen. Die BVG habe zudem ihre Mitarbeiter angewiesen, auch alte Gotteswerbung, die noch in Infokästen hängt, zu entfernen.

Mit der Entscheidung will das Unternehmen eine Wiederholung der Debatten vermeiden. Die BVG sei damit überfordert, in jedem Einzelfall darüber zu bestimmen, was noch geht und was nicht. "Wir sind ja keine Zensurbehörde", sagte Reetz. "Wir können nicht entscheiden, wer die richtige oder die falsche Ansicht hat - da würde immer der Vorwurf kommen, parteiisch zu sein." Also wird jetzt jede weltanschauliche Werbung ganz unparteiisch einheitlich abgelehnt.

Die Entscheidung ist im Vorstand der BVG gefallen. Das Unternehmen gehört zwar dem Land, der Senat wollte sich jedoch offiziell nicht einmischen: "Der Senat hat nicht die Absicht, die Vergabe von Werbeflächen zu seiner Aufgabe zu machen", hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Ende März im taz-Interview gesagt.

Aber was ist mit Esoterik-Angeboten? Was ist mit dem Friseur, der die Haare passend zur Mondphase schneidet? Was ist mit der Werbung für Heilsteine, Bachblüten und Wahrsagerei? "Solche Produktwerbung mit Verkaufscharakter ist weiterhin erlaubt", sagte die BVG-Sprecherin. In einer Konsumgesellschaft seien die Verbraucher gewohnt, mit allerlei nicht überprüfbaren Werbeaussagen konfrontiert zu werden. Die Verkehrsbetriebe werden also keine Waschmittelwerbung verbannen, nur weil darin behauptet wird, dass die Wäsche dank einer neuen Formel nicht nur sauber, sondern auch noch rein wird. Reetz: "Wir wollen ja die Kirche mal im Dorf lassen."

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10 Kommentare

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  • HM
    Hans Martin

    Gestern hing im U-Bahnhof Zoo noch eine große Werbung für "Gottesdienste im Berliner Dom".

     

    Ansonsten: Ich finde zwar jede Religion unsinnig, finde aber, daß im öffentlichen Raum - dazu gehört der ÖPNV - im Prinzip auch für Weltanschauungen geworben werden können sollte. Also auch für Jesus oder gegen Gott. Das Argument, jemand könne sich über die Werbung ärgern ist offensichtlich vorgeschoben: Ich ärgere mich auch Werbung für Autos, Zigaretten, Atomkraft oder hirnlose Radiosender. Zur Demokratie gehört es aber, diesen Ärger aushalten zu können.

  • T
    Tob

    An Seb: Klar könnte man alle religiöse Werbung zulassen. Das müsste dann auch für Scientology gelten. Und wollen wir das wirklich? Wohl nicht. Also müsste die BVG dann im Einzelfall entscheiden - aber nach welchen Kriterien und wer dort soll die Entscheidung treffen? Da würde die BVG ja zu einer Instanz, die Religionen bewertet. Der Weg, einfach gar nichts zuzulassen, ist da für die BVG die einfachste Lösung. Kann man kritisieren, aber ich kann es auch nachvollziehen.

  • V
    vic

    "Imagine there's no countries

    It isn't hard to do

    Nothing to kill or die for

    And no religion too..."

     

    Keine Religion, kein Schmerzensmann. Nirgendwo.

  • B
    BeateZ

    Ich freue mich, dass ich zukünftig keine religiöse Werbung mehr in Bussen sehen muss. Dafür nehme ich es gern in Kauf, dass es mit der Buskampagne nichts geworden ist. Mit dem Verschwinden der religiösen Werbung haben die Initiatoren der Buskampagne den größten Erfolg erzielt. Und schön, dass auch gleich die Zeitungen so häufig darüber berichten. So haben wir den politischen Diskurs in den Zeitungen.

     

    Weiter so!

  • F
    Fleur

    Was ist denn so toll daran, der Welt mitzuteilen was es wahrscheinlich nicht gibt?

    Das sind astronomisch viele Dinge. Ich mache einen Vorschlag:

    Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Weihnachtsmann!

    Ja aber Hallo? Gebt die Kohle jetzt bitte mal für etwas sinnvolles aus.

  • HR
    Holger Rudolph

    Bei der Bezeichnung des BVG-Vorgehens als „neutral“ kann es sich wohl nur um einen Scherz handeln: Die Betriebe haben die Agnostikerwerbung ja gerade zum Anlass genommen, keine weltanschauliche oder religiöse „Werbung“ mehr zu schalten. Das ist aber nicht neutral, wenn man jahrelang die eine Seite zulässt und dann unter dem Vorwand der Neutralität komplett dicht macht, wenn mal eine andere Meinung kommt.

     

    Neutral wäre gewesen, wenn man der Entscheidung eine Vorlaufzeit gegönnt hätte, also gesagt hätte, in einem Jahr wird keine neue Werbung solchen Inhalts mehr angenommen.

     

    www.thebrights.de.vu

  • RR
    Rob R. Ros

    Man kann es den Rückzug der BVB aus der Schaltung von weltanschaulicher Werbung unterschiedlich bewerten. Die oftmals von unsubtilen Bibelzitaten geprägten missionarischen Werbetäfelchen kann man durchaus ebenso als provozierend empfinden (insofern ein Teilerfolg der Initiative) wie der vergleichsweise saloppe Slogan „Es gibt wahrscheinlich ...”. Das „wahrscheinlich” signalisiert in meinen Augen sogar das ehrbare Eingeständnis der eigenen Fehlbarkeit, dass man bei Kirchenvertretern zu oft vermissen muss. Andererseits geht es der Initiative nicht um reine Provokation, sondern um einen öffentlichen Diskurs – dieser sollte unbedingt geführt werden.

  • CR
    christine rölke-sommer

    das soll wohl eine salomonische entscheidung sein?! - na ja, vielleicht erklärt mir der vorstand der bvg dann bei gelegenheit, was an sonstiger werbung nicht weltanschaulich ist...

  • TN
    Tut nichts zur Sache

    Und was ist mit der Werbung für ein Berliner Laufhaus? Dadurch wird die kommerzielle Ausbeutung von Frauen mindestens verharmlost. Liebe taz, fragt da doch bitte nochmal nach.

  • S
    Seb

    Wie wäre es damit, alle (religiöse) "Werbung" zuzulassen? Das wäre meine Vorstellung von gleichem Recht für alle. Die aktuelle Lösung bedeutet doch gleiche Diskriminierung für alle.

     

    Oder?