piwik no script img

Keine U–Bahn, keine Werscht - Frankfurt ist sauer

■ Gerangel zwischen Stadt und Land um die Stillegung der Straßenbahnen endete mit einem Fest–Verbot Oberbürgermeister stoppte Einweihung der neuen U–Bahnstrecken / Einzelhändler blieben auf Würstchen und Wein sitzen

Aus Frankfurt Heide Platen

Ein städtebauliches Glanzstück sollte sie werden, die neue U–Bahn in Frankfurt. Und nun ist sie ein einziges Ärgernis. Die Bürger sind verprellt, der neue „Oberbürgermeister aller Frankfurter“, Wolfram Brück, ist in Ungnade gefallen. Seit Samstagvormitag grollt ihm vor allem seine ureigenste Wähler–Klientel, die Einzelhändler und der Mittelstand. Schuld daran ist das Gerangel zwischen CDU–regierter Stadt und SPD–regiertem Land um die funkelnagelneuen U–Bahnstrecken, die eigentlich vorgestern mit großem Pomp eröffnet werden sollten. Das Fest fiel aus, das Ende einer Provinzposse ist nicht abzusehen. Alles begann damit, daß die Stadt mit der Eröffnung der neuen U–Bahnstrecken die alten Straßenbahn–Linien stillegen wollte. Das Konzept der schienenfreien Innenstadt hatte einstmals Anhänger in allen Parteien. Dann opponierte eine kleine Bürgerinitiative gegen die Stillegung der Linie 12 und sammelte Unterschriften. Das Konzept „schienenfreie Innenstadt“ fiel beim Land, beim Regierungspräsidenten und bei Bevölkerung und Ladenbesitzern in Ungnade. Nur der Frankfurter Magistrat lobte es immer noch begeistert und lockte die Bevölkerung mit der Einladung zur Eröff nung. Überall sollte gefeiert werden, ein Wettrennen der Kellner, Musik, Apfelwein, ungezählte Veranstaltungen, freier Eintritt im Zoo, farbige Prospekte, neue Fahrpläne - ales war bereit. Die Geschäftsleute und U–Bah nanlieger hatten eingekauft: Zentnerweise Würstchen, Fleisch, einer lagerte gar körbeweise Austern für den tollen Tag - Geschäft ist eben Geschäft. Und dann traf es sie alle wie ein Donnerschlag. Das Regierungspräsidium in Darmstadt hatte verfügt: auch wenn die neue U–Bahn eröffnet wird, müssen einige Straßenbahnlinien weiter in Betrieb bleiben. Oberbürgermeister Brück - erst seit August Dieses Jahres in Walter Wallmanns Amt nachgerückt - reagierte trotzig. Wenn, beschied er, die Straßenbahnen nicht stillgelegt werden dürfen, dann wird auch die U–Bahn nicht eröffnet. Und: Keine Einweihung, kein Fest, punktum! Den Ladenbesitzern drohte er, sollten sie dennoch feiern, mit einem Polizeieinsatz, der ihre Stände wieder abräumen werde. Dies verärgerte wiederum die Polizei, deren Leiter wissen ließ, seine Leute hätten „primär etwas anderes zu tun“, als den Frankfurtern das Feiern zu verbieten. Den Schaden - über eine Million DM - sollen die Geschäftsleute, so Brück, bei der Stadt einklagen, die wiederum das Land zur Kasse bitten werde. Die Frankfurter tranken an einigen Stellen der Stadt - ein wenig verunsichert, verkniffen und nun ebenfalls trotzig - dennnoch ihren Gratis–Apfelwein. Eingefleischte CDUlerinnen wetterten auf ihren Parteifreund Brück. Sie sei ja nicht „für die SPD“, aber wenn Volker Hauff in Frankfurt kandidiere, werde sie ihn lieber wählen als Brück. „Alles“, sagten die Frankfurter, lassen sie sich verbieten, „nur nicht das Feiern“. Inzwischen zweifeln Experten daran, ob die ins Wasser gefallene U–Bahn–Eröffnung überhaupt hätte stattfinden können. Ampelanlagen seien defekt, der Fahrplan ein Chaos, technisch alles unsicher und es fehle ohnehin an ausgebildeten Fahrern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen