: Keine Tränen um den Palast
Muss der Tränenpalast dichtmachen? Weil das Land Grundstücke um die ehemalige Grenzabfertigungshalle verschenkt hat, droht das Aus. Den SPD-Senatoren ist das egal
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Das Land Berlin ist auf dem besten Weg, ein west-östliches Symbol der Teilung dubiosen Neubauplänen zu opfern – und das wohl mit Absicht. Nach der gestrigen Sitzung des Kulturausschusses konnten die Vertreter der Bau- sowie der Finanzverwaltung die Befürchtungen der Abgeordneten fast aller Fraktionen nicht ausräumen, dass die Fortexistenz des „Tränenpalasts“ am Bahnhof Friedrichstraße gefährdet ist.
Der Grund dafür ist ein dumm gelaufenes Grundstücksgeschäft des Landes mit dem Hamburger Projektentwickler Harm Müller Spreer aus dem Jahr 2000. Der will das nördliche Nachbargrundstück des Tränenpalasts mit Wohn- und Geschäftshäusern bebauen.
Weil dem Investor aber ein Grundstück verkauft wurde, das nur teilweise als Bauland nutzbar ist, hat ihm das Land jetzt zusätzliche Areale vor Ort angeboten – um keinen Schadenersatz in Millionenhöhe zahlen zu müssen. Leid Tragender wäre der Tränenpalast. Teilfächen des Betriebs würden überbaut, Erschließungen des Grundstücks behindert.
Ein Unding? Mitnichten. Nach Auskunft von Senatsbaudirektor Stimmann und Finanzstaatssekretär Hubert Schulte will das Land bei dieser Haltung bleiben. Zum einen unterstütze Berlin die geplante Bebauung eines Investors in der Nachbarschaft des Tränenpalasts, sagte Stimmann gestern. Zum anderen erwarteten der Liegenschaftsfonds und die Finanzverwaltung, dass sich Investor und Hallenbetreiber über die umstrittenen Grundstücksprobleme selbst einigen.
Schließlich setzten die beiden Senatsvertreter noch eins drauf: Um das Investorenprojekt nicht zu gefährden, sollen die Tränenpalast-Betreiber nicht klagen. Außerdem bezeichnete Schulte den Kaufspreis von rund einer Millionen Euro für den Tränenpalast, den die Betreiber ab 2008 in eigener Regie übernehmen wollten, als korrekt.
Als „Mist“ wertete dagegen Alice Ströver, grüne Ausschussvorsitzende, das Grundstücksgeschäft zwischen Berlin und dem Investor. Die Konsequenzen auf dem Rücken der Tränenpalast-Betreiber auszutragen sei nicht gerecht, sagte auch Monika Grütters, die kulturpolitische Sprecherin der CDU. Der Kaufpreis für die Kulturhalle sei viel zu hoch, und die Vertragsbedingungen des Liegenschaftsfonds sowie die Grundstücksinteressen des Investors ließen den Betreibern keine reelle Chance, zu überleben.
Kultursenator Thomas Flierl (PDS) sprach sich gestern für den Fortbestand des Tränenpalasts aus. Zudem will das parlamentarische Kulturgremium dem Liegenschaftsfonds seine Bedenken nahe bringen. Was die Finanzverwaltung von einer Revision des Ganzen hält, hat ihr Sprecher Matthias Kolbeck schon am Vortag verlauten lassen: „Der angebotene Kaufpreis ist fair.“