piwik no script img

Archiv-Artikel

„Keine Tabuthemen“

Carsten Ahrens, Direktor des Neuen Museums Weserburg, über Miro Klose, einen möglichen Umzug in die Überseestadt und die Vision, 50.000 Menschen jährlich für zeitgenössische Kunst zu begeistern

Interview von Jan Zier

Bei Ihrem Amtsantritt im vergangenen November haben Sie gesagt: „Ich kann nicht verstehen, dass mehr Menschen ins Weserstadion gehen als in die Weserburg“. Sind Sie da mittlerweile weiter?

Carsten Ahrens: Das ist mir zwar weiterhin vollkommen unklar. Aber nach der großartigen Leistung von Klose bei der WM ist mir das doch ein bisschen nachvollziehbarer geworden.

Gerade hat das Neue Museum Weserburg eine Gerhard Richter-Ausstellung eröffnet. Sind große Namen der Weg zu mehr BesucherInnen?

Das gehört sicherlich dazu, ist aber nicht der einzige Weg. Wir müssen erst einmal dafür sorgen, dass die Weserburg mehr Aufmerksamkeit in der Stadt erregt. Es gibt immer noch ziemlich viele Menschen in Bremen, die kaum wissen, dass das hier ein Museum ist.

Kommen deshalb so wenige Leute ?

Es ist immer wieder publiziert worden, dass dieses Museum zu wenig Besucher generiert. Die gerade wieder einmal publizierte Zahl von 25.000 Besuchern ist eine längst bekannte Zahl. Im Zentrum unserer Arbeit der nächsten Jahre steht das Ziel, die Besucherzahlen zu steigern. Wir haben eine Zielvereinbarung mit dem Kulturressort, dass wir im nächsten Jahr die Besucherzahl verdoppeln.

Ein sehr mutiges Ziel.

Ja.

Würden Sie sich darauf festnageln lassen?

Auf eine punktgenaue Landung nicht. Aber wenn sich hier tendenziell nichts tut, wird dieses Haus Probleme bekommen. Probleme, die es ja auch schon hat. In jedem Fall braucht es einen gewissen Zeitraum, bis unsere Maßnahmen auch greifen. Ein neuer Bundesliga-Trainer kann am nächsten Samstag schon gewinnen. Ein neuer Museumsdirektor hingegen wird nicht von heute auf morgen gigantische Erfolge einfahren. Das braucht Zeit, zumal das Museum in den vergangenen Jahren Vertrauen verloren hat.

Wodurch?

Ich erkenne die Situation um uns herum – insbesondere die der öffentlichen Haushalte – in einer anderen Weise an, als mein Vorgänger Thomas Deecke das gewillt war, zu tun.

Womit soll das Vertrauen zurückgewonnen werden?

Durch die neue und andere Form der Präsentation unserer Ausstellungen. Und da sehen wir erste Erfolge. Viele Besucherinnen und Besucher spüren eine neue Atmosphäre in unserem Haus. Auf diesem Weg muss es weitergehen, zu noch mehr Besucherfreundlichkeit.

Sie haben binnen kurzem mehrere Ausstellungen eröffnet. Das hat ihnen den Vorwurf des Aktionismus eingetragen.

Den Vorwurf habe ich bislang nicht gehört. Ich habe vielmehr Dinge gelesen wie: „Trendwende in der Weserburg“.

Und der Trend geht wohin?

Wir setzen auf eine stärkere sinnliche Präsentation der Werke, mit einer jeweils auf die Werke zugeschnittenen Ausstellungsarchitektur. Der Besuch soll auch für jene, die nicht schon versierte Kenner der zeitgenössischen Kunst sind, ein Erlebnis werden. Dazu gehört auch eine stärkere Theatralisierung, die wir jetzt in einigen Bereichen schon praktizieren. Parallel beginnt jetzt die Entwicklung der Marketing-Strategie. Es gilt, die Ideen für Einzelmaßnahmen in eine präzise Strategie zusammenzubinden.

Wird Ihnen zum Verhängnis, dass ihr Vorgänger eher den elitären Standpunkt vertrat, die Weserburg zeige keine Kunst für die Masse?

Thomas Deecke hat eine völlig andere Vorstellung von dem, was ein Museum heute ist. Für ihn ist ein Museum ein bewahrendes Institut, das unter keinerlei Einschaltquotendruck steht. Diese Vorstellung respektiere ich – aber ich teile sie nicht grundsätzlich. Wer öffentliche Mittel bekommt, hat auch die Verpflichtung, die Menschen in einer Stadt zu erreichen. Es macht nur Sinn, ein solches Haus zu führen, wenn man spürt, dass dieses Haus auch gebraucht wird.

Uwe Nullmeyer, früher Geschäftsführer der Handelskammer und heute im Vorstand der Museums-Freunde Weserburg, sagt, die Marktgesetze müssen auch für ein Museum wie die Weserburg gelten.

Dem kann ich im Kern nur zustimmen.

Hätten sie also schon Insolvenz anmelden müssen?

Nein.

Interessieren sich die BremerInnen zu wenig für zeitgenössische Kunst?

Nein, ich glaube nicht, dass es an den Bremerinnen und Bremern liegt. Das will mir nicht einleuchten. Und auch da unterscheide ich mich wohl von meinem Vorgänger. Wenn ich durch die Stadt gehe, sehe ich durchaus unser Publikum. Jetzt müssen wir es noch über die Weser auf den Teerhof ziehen.

Oder in die Überseestadt?

Die Art und Weise, in der diese Umzugsdiskussion sich entwickelt hat in den letzten 14 Tagen ist für ein Haus, das gerade versucht, sich neu zu positionieren, nicht gerade erfreulich. Und dass wir es nicht gut finden können, dass so eine Diskussion in der Stadt kursiert, ohne dass man mit den Betroffenen spricht, ist auch klar. Auf der anderen Seite gibt es nichts, worüber man nicht sprechen könnte. Es darf keine Tabuthemen geben. Aber eine solche Diskussion erfordert natürlich zunächst einmal eine genaue sachliche Prüfung. Ansonsten bleibt sie vollkommen abwegig – und die Weserburg die Weserburg.

Glauben Sie, dass in ein Museum in der Überseestadt 50.000 Besucher im Jahr kämen?

Das kann ich mir derzeit nicht vorstellen.