: Keine Schonzeit mehr für Schüler
betr.: „Eltern nach vorn“ (Zur Einführung des achtjährigen Gymnasiums in Bayern), taz vom 17. 11. 04
Die Aussage, „Zwar wird das so genannte G 8 allgemein begrüßt“, kann nicht unwidersprochen bleiben. Meine Tochter ist jetzt gerade auf einem Münchener Gymnasium eingeschult worden. Auf den Informationsveranstaltungen aller Gymnasien, die wir uns angesehen haben, äußerte sich die Schulleitung verhalten oder offen kritisch über das G 8, weil es sich um ein Projekt handelt, das offensichtlich nur rudimentär geplant wurde. Die Konsequenzen müssen die Schulträger, Schulleiter, Lehrer, Schüler und Eltern ausbaden.
Die Schulen sind in der Regel auf eine Nachmittagsbetreuung organisatorisch und von der räumlichen Ausstattung her nicht vorbereitet. Mehrere Schulen werden Mensen bauen müssen, damit die Schüler vor den Nachmittagsstunden mit einem warmen Essen versorgt werden können. Die Finanzierung ist nicht selten unklar. Auf den Lehrermangel wurde in dem Artikel hingewiesen. Er hat auch zur Folge, dass freiwillige Angebote (Schulchor, Schulorchester, Theatergruppen etc.) in vielen Schulen wegfallen werden. Die Lehrer können diese Angebote nicht mehr anbieten; die Schüler werden sie nicht mehr wahrnehmen, denn sie haben ab der 5. Klasse schon mehrere Stunden Nachmittagsunterricht. Es werden in absehbarer Zeit also die Angebote fehlen, die eine Schule liebenswert machen.
Da die Lehrpläne nicht – wie vorgesehen – „entschlackt“ wurden, stehen Lehrer und Schüler unter einem enormen Druck, den Stoff von neun Jahren in acht durchzupauken. Die mit dem G 8 eingeführten und eigentlich sinnvollen Intensivierungsstunden, die der Vertiefung des vermittelten Wissens dienen sollten, werden unter diesen Umständen zu normalen Stunden verkommen müssen. Eine weitere negative Konsequenz ist, dass die Schüler der 5. Klassen keine „Schonzeit“ mehr haben, um sich an die neue Schulform zu gewöhnen (mehr Fächer, mehr Lehrer, längere Fahrzeiten), sondern gleich richtig rangenommen werden müssen.
Die jetzigen 6. Klassen wurden übrigens rückwirkend in das G 8 integriert. Sie werden ihre Abiturprüfungen zeitgleich mit den jetzigen 7. Klassen haben. Wie das gehen soll, hat das zuständige Ministerium bisher nicht erklärt. Es drängen sich dann übrigens zwei Abi-Jahrgänge aus Bayern (und Baden-Württemberg?) in die Universitäten und auf den Arbeitsmarkt. An die Konsequenzen hat scheinbar auch niemand gedacht. Spätestens dann wird die miserable Planung des G 8 zu einem gesamtdeutschen Problem.
PETER FRANZ, Rammertshofen