: Keine „Neue Zeit“ in der DDR
■ Bisher beispielloser Zensureingriff / Die DDR liefert drei Hefte der sowjetischen Zeitschrift „Neue Zeit“ mit Auszügen aus einem antistalinistischen Theaterstück nicht aus
Ost-Berlin (dpa) – In der DDR sind auf Grund eines bisher beispiellosen Eingriffs drei Hefte der deutschsprachigen Ausgabe der Moskauer Zeitschrift Neue Zeit mit umfangreichen Auszügen aus einem zeitkritischen Stück des so wjetischen Dramatikers Michail Schatrow nicht an die Abonnenten ausgeliefert worden. Auch wissenschaftliche Einrichtungen und Bibliotheken und das sowjetische Kulturzentrum erhielten die Hefte nicht. Die Moskauer Neue Zeit wird in der DDR nicht an Kiosken angeboten. Schatrows neues Lenin-Stück mit dem Titel „Weiter .. Weiter ... Weiter“, in dem die Hauptakteure der Oktoberrevolution wie der später im Exil ermordete Trotzki und die zum Tode verurteilten Sinowjew, Kamenew und Bucharin wie auch Stalin auftreten, ist auch in der UdSSR stark umstritten. In der Prawda wurde bemängelt, daß Lenin in Schatrows Darstellung „Hauptangeklagter“ sei und Stalin „der zweite Angeklagte“.
In den Auszügen, die die Neue Zeit veröffentlichte, wird auch Rosa Luxemburg zitiert, unter anderem mit den Sätzen, wonach „ein Sozialismus ohne Freiheit kein Sozialismus“ und „Freiheit immer auch die Freiheit des Andersdenkenden“ sei. Schatrow läßt Lenin dazu erwidern: „Bravo, Rosa!“ Luxemburgs Satz über die „Freiheit des Andersdenkenden“ hat in der DDR zuletzt im Zusammenhang mit Massenfestnahmen nach der offiziellen Luxemburg/ Liebknecht-Demonstration vom 17. Januar eine Rolle gespielt.
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