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Keine LiberalisierungKein Lichtblick für Späti-Freunde

Senat und Abgeordnete lassen Pläne fallen, das Ladenöffnungsgesetz zugunsten von Spätis zu liberalisieren.

Durchlebt schwere Zeiten: der Berliner Späti. Bild: dapd

„Und wieder wird Berlin ein Stück mehr Deutschland“, twitterten Anfang der Woche viele BerlinerInnen. Was sie meinen: Betreiber und Kunden zahlreicher Spätkauf-Läden müssen die Hoffnung auf eine Legalisierung der Sonntagsöffnung begraben. „Ich werde keine Initiative zur Änderung des Ladenöffnungsgesetzes einbringen“, hatte Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) am Montag gesagt. Auch Abgeordnete wie der SPDler Joschka Langenbrinck haben ihre Initiative für eine Späti-Ausnahmeregelung definitiv aufgegeben.

In Berlin dürfen sonntags nur zwei Arten von Geschäften öffnen: die, die Touristenbedarf und Lebensmittel zum sofortigen Verzehr verkaufen, und die, deren Sortiment sich auf Backwaren, Milchprodukte, Blumen und Zeitungen beschränkt. Das Sortiment am Sonntag einfach zu verkleinern ist nicht erlaubt.

Im April hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) die Beschwerde eines Späti-Betreibers zurückgewiesen: Er hatte sich gegen ein Verbot des Ordnungsamtes gewehrt, seinen Laden unweit des Mauerparks am 1. Mai zu öffnen. Die OVG-Entscheidung besiegelte das Ende der bis dahin liberalen Handhabung geltenden Rechts. Deshalb wurden zahlreiche Rufe nach einer Gesetzesänderung zugunsten der Spätis mit umfassendem Sortiment laut.

Mit am lautesten rief SPD-Mann Langenbrinck – entsprechend enttäuscht ist er jetzt: „Eine rechtssichere Sonderregelung ist nicht möglich, weil das Bundesverfassungsgericht für Sonntagsöffnungen enge Grenzen gesetzt hat.“ Außerdem hätten Kirchen, Gewerkschaften und bestimmte Einzelhändler strikte Ablehnung signalisiert. „Ich finde das frustrierend“, sagte Langenbrinck der taz.

Die Ablehnung bestimmter Einzelhändler erklärt sich so: Eine Ausnahmegenehmigung hätte erhalten, wer gewisse Kriterien erfüllt – etwa, dass nur der Inhaber hinter der Theke steht oder die Verkaufsfläche kleiner als 100 Quadratmeter ist. Händler, die dies nicht erfüllen, hätten Klagen angekündigt, sagt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen: „Spätis sind wie junge Hunde, jeder mag sie. Aber eine Sonderregelung für die einen hätte eine Benachteiligung der anderen bedeutet.“ Er sieht als einzigen Ausweg die komplette Liberalisierung der Öffnungszeiten. Die aber bedürfe einer Grundgesetzänderung. Außerdem hat SPD-Senatorin Kolat das Thema nun für erledigt erklärt.

Kritik übte der Sprecher der Interessengemeinschaft der Kiez-Kioske, Matthias Liebe: „Die Politik ist einfach nicht willens und in der Lage, schnell genug eine Lösung für die Situation zu finden.“ Scheinbar sei der öffentliche Druck nicht groß genug. Trotzdem werde sich an der Gesamtsituation aufgrund der Personalsituation der Ordnungsämter kaum etwas ändern: „Ein Bezirk kann nur einen Bruchteil der Läden an einem Sonntag kontrollieren.“

Das bestätigt Pankows Bezirksstadtrat Torsten Kühne (CDU): „Wir können nur in Einzelfällen verwarnen, und das ist angesichts von Hunderten Verkaufsstellen schlichtweg ungerecht.“ Für seine 20 Mitarbeiter im Außendienst des Ordnungsamtes sei es eben nur eine Aufgabe von vielen, die Einhaltung des Ladenöffnungsgesetzes zu überwachen. Darum will Kühne weiter das Gespräch mit Senat und Abgeordnetenhaus suchen.

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5 Kommentare

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  • FF
    Frau Fischer zu Kasse 3

    bzgl. Tim Leuther

     

    Entschuldigung, darf ich mal lachen?! 10-12 Euro die Stunde, in welchem Wunderland haben sie das denn erlebt? Es ist ja wohl eher so, dass man sich mit 7,50 pro Stunde (Kaisers) richtig glücklich schätzen darf.

     

    bzgl. Späti-Arbeiter-Freund

     

    Dann schlagen Sie also vor, die Spätis komplett schließen zu lassen?

  • TL
    Tim Leuther

    @freund des einzelhandels

     

    In den Discountern arbeiten alle nach Tarifvertrag. Und der ist üppig. Da geht keiner mit weniger als 10-12 Euro die Stunde nach Hause.

     

    Im gegensatz zu den Supermärkten die das überteuerte krams von Billigkräften in die Regale räumen lasst.

  • EL
    ein Lichtblick

    Wie wäre es damit, die MitarbeiterInnen des Ordnungsamts zu ErzieherInnen umzuschulen ?

  • FD
    freund des einzelhandels

    ist doch quatsch, komm hier nicht mit menschenrechten! im discountsupermarkt zu arbeiten hat in jedem fall mehr mit sklavenarbeit zu tun, als im späti zu stehen.

    ist doch alles lobbyscheiße, tankstellen dürfen ja wohl auch alles verkaufen, 24h am tag, 7 tage die woche. ob man nun sonntags arbeiten darf oder nicht, ist wohl eher ne religiöse frage...fakt ist, spätis sind für viele geringverdiener der weg in die selbstständigkeit und tragen zu einer stärkung des einzelhandels bei, die ich immer gerne unterstützt habe. sozusagen der moderne tante emma laden. arbeitnehmerschutz hat nicht mit sonntagsarbeit zu tun. hier gehts doch nur um den kampf um konzessionen, bei dem die kleinen spätebesitzer den kürzeren ziehen!

  • S
    Späti-Arbeiter-Freund

    Und was ist mit den Interessen der Späti-Arbeiter? Beim Wettbewerb um das günstigste Sterni haben sie das Nachsehen, da ihr (Niedrig-)Lohn weiter nach untern geschraubt wird. Und warum? Weil wir zu faul oder verpeilt waren, rechtzeitig im Einkaufsladen unser Zeug zu kaufen und nun zum annähernd gleichen Preis zu jeder Zeit im Späti das kaufen.

    Bei aller Bequemlichkeit und Flexibilität, die Spätis haben und auch Freude bescheren können, haben sie doch für die hinterm Tresen oftmals fatale Auswirkunken. Der Versklavungskreislauf des Malochens erhält mehr Energie, die Späti-Arbeiter sind teilweise so auf den Job angewiesen, dass sie unmenschliche Arbeitszeiten auf sich nehmen, und keine ordentlichen Ruhezeiten mehr haben. Das ist moderne Versklavung, die für alle sichtbar ist!