: Keine Kursänderung
■ Polens neuer Premier Bielecki präsentierte Programm und Regierungskabinett
Walesa hat es wieder einmal geschafft, Ja und Nein zu sagen. Erst hat er einen Wahlkampf gegen den Balcerowicz-Plan und Mazowieckis politische Linie vom Zaun gebrochen und damit die Präsidentschaftswahlen gewonnen, nun will er offenbar fast genau das weiterführen, was er im Wahlkampf bekämpft hat. Nicht genug, daß Balcerowicz Vizepremier und Finanzminister bleibt, in der neuen Regierung sind auch noch wesentlich mehr Liberale seines Zuschnitts als zuvor. Bielecki, der neue Premier, wird, er hat das selbst unterstrichen, da weitermachen, wo sein Vorgänger Mazowiecki aufgehört hat. Trotzdem bleibt nicht alles beim alten: Privatisiert wird nun von unten, erst kleine Betriebe, dann die Kolosse. Angesichts der Unklarheiten und Unregelmäßigkeiten der Privatisierung bisher eine verständliche Entscheidung. Doch anders als die Regierung Mazowiecki, kann sich Bieleckis Mannschaft nicht darauf verlassen, daß der Präsident stillhält. Eine Arbeitsteilung zwischen Staatschef und Regierungschef ergibt sich aus den Nominierungen der letzten Tage: Bielecki und seine Minister werden sich ganz der Wirtschaft widmen, Walesa selbst wird mit Hilfe seiner Staatsminister Armee und Polizei sowie weite Teile der Innenpolitik lenken.
Offen bleibt, wie lange diese Ordnung halten wird. Es ist zu erwarten, daß all jene, die im Wahlkampf Walesa und Tyminski wählten, um gegen Balcerowicz zu stimmen, bei den Parlamentswahlen nicht mehr Walesa folgen werden. Vor allem ausländische Beobachter und viele innenpolitische Gegner Walesas registrieren dieser Tage erleichtert, daß der Präsident seine Wahlversprechen — oder soll man sagen Wahldrohungen — offenbar nicht einzulösen gedenkt. Viele seiner Wähler dagegen werden beim nächsten Mal daraus ihre Schlüsse ziehen und jemanden wählen, der nicht nur drastisches verspricht, sondern es anschließend auch durchführt. Stanislaw Tyminski, der undurchsichtige Radikale aus Kanada, ist gerade rechtzeitig zur Wahl Bieleckis aus Kanda zurückgekehrt. Erst bei den Parlamentswahlen wird sich also erweisen, ob Walesas Operation, Balcerowicz zu bekämpfen, um ihn im Amt zu halten, Polen nicht im nachhinein teuer zu stehen kommt. Klaus Bachmann
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