Keine Krise beim kleinen Tiger: Singapur springt aus der Rezession
Die Wirtschaft des Stadtstaates ist um 20 Prozent gewachsen. Erfahrungen mit der Asienkrise haben für robustere Strukturen gesorgt. Doch wie lange wird der Boom anhalten?
BANKOK taz Die jüngsten Meldungen aus dem Stadtstaat haben viele überrascht: Singapur habe die Rezession hinter sich gelassen, heißt es offiziell. Die Wirtschaft zieht wieder an, denn im zweiten Quartal betrug das auf das Jahr hochgerechnete Wachstum des Bruttoinlandsprodukts 20,4 Prozent. Der Grund: Es gab Zuwächse im Bausektor und vor allem eine steigende Nachfrage nach Grippemitteln und pharmazeutischen Produkten. Dieser Schub habe zum jetzigen Wachstum beigetragen, so das Ministerium für Handel und Industrie.
Mit diesen Quartalszahlen haben selbst Analysten nicht gerechnet. Und die sagten dem Stadtstaat für diesen Zeitraum immerhin ein Plus von 16,4 Prozent voraus. Dass die Einschätzungen überhaupt so optimistisch ausgefallen sind, ist verwunderlich. Schließlich war die Lage Anfang 2009 äußerst düster. Experten hatten dem extrem exportabhängigen Singapur damals die schwerste Wirtschaftskrise seit vierzig Jahren vorhergesagt. Der Abschwung geriet derart massiv, dass die Regierung sich gezwungen sah, milliardenschwere Konjunkturpakete zu schnüren.
Dabei hat sich die "Löwenstadt" gegen weitere Talfahrten prinzipiell gut gewappnet gefühlt - vor allem nach den bitteren Erfahrungen mit der Asienkrise 1997 und 1998. Als regionales Finanzzentrum in Südostasien setzt Singapur darüber hinaus auf seine exzellente Infrastruktur und Logistik sowie auf den Ausbau von Forschung und Entwicklung in der Pharmaindustrie und Biomedizin. Auch versucht man verstärkt, ausländische Geldgeber für den Standort zu interessieren, und das mit Erfolg: Presseberichten zufolge haben internationale Biomedizin-Firmen in 2008 mehr als 500 Millionen US-Dollar in Singapur investiert.
Doch Anzeichen für die drohende Krise gab es genug. Im Juli vergangenen Jahres waren die Exporte in die USA und die EU aufgrund der schwachen Weltwirtschaft massiv eingebrochen. Davon war besonders die verarbeitende Industrie betroffen.
Aufgrund der jüngsten Wachstumszahlen hat Singapurs Regierung ihre ursprüngliche Prognose revidiert, in der sie für 2009 einen Rückgang der Wirtschaft von bis zu neun Prozent erwartet hatte. Jetzt spricht man von "nur" noch von vier bis sechs Prozent. Ob die Erholung nachhaltig ist, bleibt abzuwarten. Das Ministerium für Handel und Industrie hat bereits erklärt, der Aufwärtstrend werde nicht das gesamte Jahr anhalten.
Dass die Wirtschaft des Stadtstaates mit seinen etwa 4,8 Millionen Einwohnern noch länger mit den Folgen der Krise zu kämpfen haben wird, lässt sich auch an den Prognosen für den Arbeitsmarkt ablesen: "Die Arbeitslosigkeit wird voraussichtlich mit 4,2 Prozent Ende dieses Jahres ihren Höhepunkt erreichen, sagt Robert Prior-Wandesforde, Asienanalyst der "Hongkong and Shanghai Banking Corporation" in Singapur. "Erst gegen Ende 2010 wird sie auf etwa 3,4 Prozent sinken."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts