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Keine Kompromisse

Es geht nicht um schwullesbisch, es geht um queer: Am Wochenende fand zum 16. Mal der Teddy Award statt. Als bester Spielfilm wurde Tony Ayers „Walking On Water“ ausgezeichnet, als bester Dokumentarfilm Even Benestads „Alt om minr far“

von OLIVER KOERNER VON GUSTORF

Manche Frauen haben einfach Paprika im Blut. „Challo Chomos!“ – Mit dieser im unverkennbar bulgarischen Akzent in die Arena geschmetterten Begrüßung aller Schwulen erwärmte Fräulein Schneider von den Geschwistern Pfister die Herzen des Publikums – ganz gleich welcher sexuellen Orientierung sie nun den Vorzug geben mochte. Wieder einmal sollten die Teddy Awards verliehen werden, und schon zu Beginn der Gala in der nahezu ausverkauften Arena des Tempodroms am Anhalter Bahnhof deutete sich an, dass die Verleihung der schwullesbischen Filmpreise, die in diesem Jahr zum 16. Mal stattfand, zu einem fest etablierten Bestandteil der Berlinale geworden ist.

Der Teddy ist in die Jahre gekommen, und während er sich eigentlich noch in der Pubertät befinden sollte, hat er sich bereits zu einer ausgewachsenen Großveranstaltung gemausert, mit einer Besucherzahl, die so hoch ist wie jene der Goldenen Kamera und der Eröffnung der Filmfestspiele zusammen. Die Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters erscheint ebenso selbstverständlich wie die Präsenz des Berlinale-Chefs Dieter Kosslik, der an diesem Abend ein treffendes Lippenbekenntnis ablegte: „Ich bin nicht gay, und das ist auch schlecht so.“ Mit dem Image der Trophäe hat sich in den letzten Jahren auch der Blickwinkel auf die Teddy-Filme verändert. Immer mehr entwickelt sich das, was einstmals als Schwullesbischer Film kategorisiert wurde, zum „Queer Film“, der sich nicht ausschließlich durch gleichgeschlechtliche Thematik oder die sexuelle Ausrichtung der Beteiligten auszeichnet, sondern durch die grundsätzliche Auseinandersetzung mit „ Gender Identity“, der Hinterfragung überkommener Geschlechterrollen und gesellschaftlicher Normen.

So entwirft der 25-jährige norwegische Regisseur Even Benestad in dem als besten Dokumentarfilm ausgezeichneten „Alt om minr far“ (Alles über meinen Vater) das einfühlsame Psychogramm seiner ungewöhnlichen Familie, deren Oberhaupt nicht nur lokaler Arzt in einem idyllischen Städtchen, sondern auch national bekannter Transvestit ist. Die Auszeichnung wurde an den Sohn und seinen sichtlich gerührten Vater durch Hella von Sinnen und Georg Uecker überreicht, deren unverhohlene Freude über den Rücktritt Eberhard Diepgens als CDU-Landesvorsitzender mit spontanem Beifall erwidert wurde. Der eindeutige Gewinner des Abends war jedoch Tony Ayers „Walking On Water“, der als bester „Spülfilm“ (O-Ton Frl. Schneider) und zugleich mit dem LeserInnenpreis des schwullesbischen Stadtmagazins Siegessäule ausgezeichnet wurde.

„Gute Freunde, schlechtes Benehmen“ lautet der Untertitel des erfrischend unsentimentalen Erstlingswerks des jungen Australiers: Charlie und Anna haben ihrem todkranken Freund Garvin versprochen, Sterbehilfe zu leisten, doch als die notwendige Überdosis Morphium ihren Zweck nicht erfüllt, muss Charlie zu einer Plastiktüte greifen, die er Garvin über den Kopf stülpt, um ihn zu ersticken. Die Umstände dieses Todes und die Trauer der Hinterbliebenen führen alle Beteiligten zu einer emotionalen Tour de Force, an deren Ende Charlie und Anna gezwungen sind, die wahre Natur ihrer Freundschaft zu erkennen und damit auch die Abgründe, die sich unter Mitgefühl und Liebe verbergen. Der Preis für den besten Kurzfilm wurde Celebration zugesprochen, der vierminütigen Satire des Amerikaners Daniel Stedman, in der sich ein in einen Anzug gestopfter Sechsjähriger gezwungen sieht, sich vor seiner begeisterten Spießerfamilie als Schwuler zu outen.

Der Grundtenor der diesjährigen Teddy-Awards ist offenkundig. So unterschiedlich die Beiträge des queeren Films sind, so unterschiedlich sind auch die Kulturen, die er vertritt und verbindet. Der mit dem Preis der Teddy-Jury ausgezeichnete Dokumentarfilm führt nach Iran, in ein Land, in dem Homosexualität mit der Todesstrafe geahndet wir, aber Transsexuellen ein spezieller Ausweis ausgestellt wird, der sie auch vor Zugriffen der Polizei schützt. „Juste une femme“ schildert mit außergewöhnlichen Mut das verborgene Leben Morvarids, einer iranischen Transexuellen, die gemeinsam mit Regisseurin Mitra Farahani den Preis aus den Händen der Spanierin Antonia San Juan und des Berliner Transenstars Gloria Viagra entgegennahm. San Juan spielte als Frau in Pedro Almodóvars „Alles über meine Mutter“ eine Transexuelle, Gloria heirate im letzten Jahr ihren rumänischen Boyfriend.

Eines wird durch das Aussterben des klassischen Homo-Films deutlich: Es geht nicht mehr um freundliche Toleranz verschiedener geschlechtlicher und kultureller Identitäten, sondern um ihre kompromisslose Akzeptanz.

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